Laura Bucher
Die Revision des Behindertengesetzes soll Barrieren beseitigen.
Sandrine Benz im Trainingslager in Gran Canaria. z.V.g.
Trotz ihres für den Sport hohen Alters und der Dreifachbelastung mit Medizinstudium, ihrem Beruf als Sportlehrerin am OZ Buechenwald in Gossau und Spitzensport kürt sich Sandrine Benz in Frankreich zur Europameisterin im Triathlon in ihrer Altersklasse. Nun stehen für die 40-Jährige die WM in Spanien und ein Europacupeinsatz bei der Elite bevor.
Drei Säulen Während sich die allermeisten Leistungssportler mit 40 Jahren im Ruhestand befinden, läuft Sandrine Benz eben erst eine neue persönliche Bestleistung im Kurzdistanztriathlon und kürt sich in Vichy zur Europameisterin in der Kategorie W40. Doch der Sieg in ihrer Alterskategorie interessiert die Ostschweizerin nur bedingt. «Ich schaue immer auf die Overall Kategorie, in der alle Altersklassen gemeinsam geführt werden. Und dort habe ich auch gewonnen», stellt Benz zufrieden fest. Für die 40-Jährige sind es denn auch nicht in erster Linie Siege an Wettkämpfen in den Altersklassen, die sie anstrebt. Vielmehr möchte sie es nochmals auf höchster Stufe bei der Elite wissen: «Ich bin zwar jeweils ca. 15 Jahre älter als meine Konkurrentinnen. Aber ja, um einen der grössten persönlichen Träume leben zu dürfen, lohnt es sich alleweil, auch mit 40 Jahren noch in dieser Liga zu starten.» Mit «dieser Liga» meint Benz Einsätze an Europacup- und Weltcup-Wettkämpfen sowie Starts in der Triathlon-Bundesliga in Deutschland. Erstaunlich ist nicht nur, dass Benz mit 40 Jahren noch persönliche Bestleistungen aufstellt, sondern vor allem auch, dass ihr trotz reduzierten Trainingsumfängen in allen drei Disziplinen des Triathlons Leistungssteigerungen gelingen.
Die Umfänge musste die Sportlehrerin reduzieren, weil sie mit 38 Jahren ein Medizinstudium begann. Damals war sie überzeugt, dieser Schritt bedeute das Ende ihrer Sportkarriere. «Das Medizinstudium brachte mich zu Beginn an meine Grenzen. Meine Matura lag beinahe 20 Jahre zurück und die heutigen Absolventen befinden sich auf einem weit höheren Niveau als wir damals», erzählt Benz. Entsprechend habe sie den Sport komplett weggelassen. «Doch dann bekam ich Schlafprobleme, Rückenschmerzen und auch mental war ich unausgeglichen, so dass ich als Ausgleich wieder mit Sport begann», erinnert sich die Steinacherin. Die Probleme seien wie weggeblasen gewesen. «Und ich konnte in weniger Zeit besser lernen!», stellt Benz fest. Und obwohl sie deutlich weniger und auf eigene Faust trainiert habe, sei sie in allen drei Disziplinen schneller geworden. Auch eine Knieverletzung und ein Autounfall konnten ihren Ehrgeiz nicht zügeln. Erst eine langwierige Muskelverletzung brachte Benz dazu, sich sportliche Hilfe zu holen. «Ich stand an, so dass ich meinen alten Trainer um Hilfe gebeten habe», erzählt die Sportlerin. Dieser Trainer ist Brett Sutton und eine Institution im Triathlon-Sport, der unter anderem einst Nicola Spirig zum Olympiasieg geführt hat.
Während viereinhalb Wochen trainierte Benz im Sommer nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungen im Engadin bei Sutton. «Und es ging viel besser als erwartet. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich wieder so fit werden würde», sagt Benz. Dass sie heute trotz reduzierten Trainingsumfängen stärker ist als je zuvor, erklärt sie folgendermassen: «Das Medizinstudium hat mich mental gestärkt. Ich habe die Erfahrung gemacht, auch trotz suboptimaler Vorbereitung die Prüfungen bestehen zu können.» Seither traue sie sich im Sport vielmehr, auch mit einer nicht perfekt gelaufenen Vorbereitung an den Start zu gehen. «Anstatt darüber nachzudenken, was in der Vorbereitung alles hätte besser laufen können, gehe ich heute einfach hin und gebe mein Bestes», erklärt Benz. Das scheine zu helfen. Dazu sei sie mental entspannt, seit sie ihre Aufmerksamkeit gleichmässig auf die drei Säulen Studium, Leistungssport und Sportunterricht verteilen könne. «Jede Säule ist mir wichtig, aber keine ist mehr zu wichtig.» So verfüge sie nun über Ressourcen, die sie in all den Jahren davor nicht habe anzapfen können.
Und so möchte Benz zumindest noch zwei Semester und bis zum Bachelor im Medizinstudium mit der Dreifachbelastung weiterfahren. Am Donnerstag und am Freitagnachmittag unterrichtet sie als Sportlehrerin im OZ Buechenwald, das Medizinstudium in Fribourg absolviert sie abgesehen von den Präsenzveranstaltungen im Fernstudium und trainiert wird so viel, wie es der volle Terminkalender eben zulässt. Nach Abschluss des Bachelors will sich Benz nochmals möglichst intensiv dem Sport widmen. «Ich möchte meinen Leistungssportler-Traum zu Ende leben. Im optimalen Fall habe ich dafür noch drei bis vier Jahre zur Verfügung», sagt Benz. Kurzfristig steht am nächsten Mittwoch die Abreise nach Spanien an die Triathlon-WM in der Altersklasse an. Dort möchte sich Benz zur Weltmeisterin küren, bevor sie eine Woche später im türkischen Alanya im Europacup an den Start geht.
Im nächsten Jahr strebt Benz Starts in der deutschen Bundesliga und im Europacup an. Und 2025 möchte sie sich auch wieder an die längeren Triathlon-Disziplinen wagen. «Gerne würde ich im Spätsommer 2025 wieder einmal einen Ironman 70.3 absolvieren mit dem Ziel, mich für die WM zu qualifizieren», erklärt sie. In dieser Kategorie sind 1,9 km Schwimmen, 90 km Einzelzeitfahren auf dem Rad und 21,1 km Laufen zu absolvieren. «Im Anschluss an die Sportkarriere schliesse ich einen Master-Abschluss in der Humanmedizin nicht aus – im besten Fall an der Uni St.Gallen», blickt Benz voraus. Und selbstverständlich möchte sie trotz all dieser Ziele weiterhin als Sportlehrerin in Gossau unterrichten.
Von Tobias Baumann
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