Laura Bucher
Die Revision des Behindertengesetzes soll Barrieren beseitigen.
Besitzer von Photovoltaikanlagen müssen sich auf tiefere Einspeisevergütungen einstellen. z.V.g.
Das Ziel des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung ist der beschleunigte Ausbau von erneuerbarer Energie. Paradoxerweise wird der Rückvergütungstarif für Strom aus Photovoltaikanlagen in den meisten Gemeinden allerdings deutlich sinken – so auch in Gossau.
Rückvergütung Noch steht nicht fest, wie hoch die Einspeisevergütung im nächsten Jahr in Gossau ausfallen wird. Der Stadtrat hat den Entscheid vertagt, um den Mantelerlass des Bundes abzuwarten. «Wir sind alle sehr gespannt, wie diese Verordnung ausfallen wird», erklärt Rafael Mittelholzer, Leiter Markt und Energie bei den Stadtwerken Gossau. Noch sei offen, welche Massnahmen ab 1. Januar 2025 in Kraft treten und es herrsche eine gewisse Unsicherheit in der Branche. Als Grundversorger müssen die Stadtwerke die Strompreise für das Folgejahr bis spätestens Ende August bekannt geben. Bisher wurde zu diesem Zeitpunkt jeweils auch die Höhe der Einspeisevergütung bekannt gegeben, da sich diese an den Beschaffungskosten orientierte. Das wird sich mit dem Mantelerlass ändern. Die Rückvergütung soll sich künftig am Referenzmarktpreis orientieren. «Aktuell werden in jeder Gemeinde unterschiedliche Tarife für die Stromeinspeisung gezahlt. Diesen Flickenteppich möchte das Gesetz beseitigen», erklärt Mittelholzer.
Aktuell bezahlen die Gossauer Stadtwerke 19,5 Rappen pro Kilowattstunde für den Strom aus Photovoltaikanlagen bis zu einer Leistung von 30 Kilovoltampere. So erhalten Hausbesitzer für ihre Kleinanlagen einige hundert bis wenige tausend Franken im Jahr als Einspeisevergütung für den Strom von ihrem Dach. Der Referenzmarktpreis liegt dagegen aktuell deutlich unter der bisherigen Höhe der Einspeisevergütung. Zudem ist dieser Referenzpreis variabel und kann sich entsprechend jedes Quartal verändern. «Im dritten Quartal dieses Jahres lag er bei 3,3 Rappen pro Kilowattstunde (kWh), im zweiten Quartal bei 3,5 und im ersten Quartal bei 6,2 Rappen», berichtet Mittelholzer. Gerade im Sommer, wenn in Europa viel Strom aus Photovoltaik produziert wird, sinkt der Durchschnittspreis an der Strombörse und damit auch der Referenzmarktpreis, der sich an diesem orientiert. In den letzten Jahren ergaben sich an einzelnen Tagen im Sommer sogar negative Strompreise an der Börse. Die Stromversorger, die gesetzlich verpflichtet sind, den Solarstrom abzunehmen, haben aber kein Interesse, im Sommer Strom zu kaufen, den sie gar nicht brauchen und dies zu einem Tarif über den Marktpreisen. «Die Entwicklung geht wohl in die Richtung, dass es zukünftig für jedes Quartal unterschiedliche Tarife für die Einspeisevergütung gibt», sagt Mittelholzer.
Genau in jener Zeit, in der die Anlagen auf den Dächern viel Strom produzieren, werden die Tarife also besonders tief ausfallen. Zumindest sieht der Mantelerlass eine Minimalvergütung vor. Diese würde gemäss Vorschlag in der Vernehmlassung bei 4,6 Rp./kWh zu liegen kommen. Das entspräche ziemlich genau noch einem Viertel, den die Gossauerinnen und Gossauer heute von den Stadtwerken erhalten. Droht also ein Verlust von drei Viertel der Auszahlungen? «Das ist grundsätzlich möglich. Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass der Tarif so drastisch gesenkt wird, aber es wird sicher deutlich weniger», sagt Mittelholzer. Noch unklar sei, ob die Reduktion schon auf den 1. Januar 2025 erfolge oder im Sinne eines Übergangsjahrs erst 2026. So haben beispielsweise die St.Galler Stadtwerke bekannt gegeben, dass sie die Einspeisevergütung 2025 auf dem heutigen Niveau belassen. Die St.Galler Stadtwerke kennen auch bei der Rückvergütung einen Hoch- und einen Niedertarif, wobei diese mit 12,43 und 9,51 Rp./kWh beide deutlich tiefer liegen als die Gossauer Einspeisevergütung.
Sinkt die Einspeisevergütung, erhöht sich die Amortisationsdauer für die Photovoltaikanlagen. Diese variiert je nach Grösse der Anlage, dem Eigenverbrauch und den Zeiten, in denen die Haushalte zusätzlichen Strom beziehen müssen, hängt aber auch davon ab, wie viel die Besitzer der Anlagen für den eingespeisten Strom erhalten. Wenn Eigentümer in den letzten Jahren eine Anlage gebaut haben und davon ausgingen, ihre Anlage lasse sich beispielsweise in zehn bis zwölf Jahren amortisieren, dürften sie wenig erfreut sein, wenn sich das nun durch einen politischen Entscheid ändert. «Das ist sicherlich so. Ausserdem fehlt die Planungssicherheit, wenn man nicht weiss, wie viel man für den eingespeisten Strom erhält», erklärt Mittelholzer. So hätten Anbieter zuletzt auch von einer gewissen Zurückhaltung beim Neubau von Anlagen berichtet.
Sinkt die Einspeisevergütung, wird es für die Haushalte noch wichtiger, den Eigenverbrauch zu erhöhen. Auch Speicherlösungen würden an Attraktivität gewinnen. Die Preise für Batteriespeicher sind zuletzt deutlich zurückgegangen. Auch der sogenannte Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) oder die lokale Elektrizitätsgemeinschaft (LEG) sind Möglichkeiten für Besitzer von Solaranlagen, höhere Tarife für ihren Strom zu erzielen. Ein ZEV ist ein vertraglicher Zusammenschluss von mehreren Stromkundinnen und -kunden. In einem ZEV profitieren alle Vertragsparteien von der vor Ort erzeugten Energie, die aus einer Photovoltaikanlage stammt. Die Stadtwerke bieten eine Abrechnungsdienstleistung für dieses Modell. Auch bei der LEG, die mit dem neuen Energiegesetz ermöglicht wird, soll der produzierte Strom zu besseren Bedingungen direkt vor Ort verbraucht werden.
Allerdings muss der Strom aus einer Anlage ohnehin erst ins Netz des Grundversorgers eingespeist werden, kann also beispielsweise nicht direkt vom Nachbar bezogen werden. Die direkte Nutzung vor Ort besteht nur auf dem Papier und bringt dem Grundversorger keinen Vorteil im Netzbetrieb. «Das ist so. Es ist einzig ein Mittel dafür zu sorgen, dass der Zubau von privaten Anlagen wirtschaftlich interessant bleibt», bestätigt Mittelholzer. An der Herausforderung, die Netzstabilität trotz einer zunehmenden Zahl an dezentralen Anlagen mit grossen Leistungsschwankungen aufrechtzuerhalten, ändert sich durch diese Zusammenschlüsse nichts. «Diese Herausforderung wird weiter zunehmen und entsprechend in Zukunft mehr kosten», erklärt Mittelholzer.
Von Tobias Baumann
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