Julia Buchmann
ist am Schweizer Filmpreis 2025 als beste Schauspielerin nominiert.
Nachdem die katholische Kirchgemeinde Gossau und die evangelische Kirchgemeinde Gossau-Andwil 2023 eine deutliche Zunahme an Kirchenaustritten verzeichnen mussten, bewegten sich die Austrittszahlen 2024 wieder im gewohnten Rahmen. Die jeweiligen Pfarreien blicken zwar mit Zuversicht in die Zukunft, sehen sich aber weiterhin mit grossen Herausforderungen konfrontiert.
Religion Die Lage bei den Gossauer Landeskirchen hat sich wieder etwas entspannt. Die 2023 veröffentlichte Pilotstudie zur sexuellen Gewalt in der katholischen Kirche hatte schweizweit sowohl bei der katholischen als auch bei der evangelischen Kirche zu einer Austrittswelle geführt. Auch in Gossau hatten sich die Austritte infolge der Studie gehäuft. Obschon sich dieser Trend noch eine Weile fortsetzte, sind die Austrittszahlen jetzt – knapp eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung der Studie – wieder auf gewohntem Niveau. «Obwohl es in der Studie nur um Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ging, hatten auch wir eine Häufung von Austritten zu beklagen. Bei uns war dieser Trend jedoch nicht nachhaltig», sagt Pfarrer Christian Bernhard-Bergmaier, eine von vier Pfarrpersonen der evangelischen Kirchgemeinde Gossau-Andwil. 2023 verzeichnete die evangelische Kirchgemeinde Gossau-Andwil 123 Kirchenaustritte und fünf Eintritte. Das waren 43 Austritte mehr als im Jahr davor. 2024 bewegten sich die Austrittszahlen mit 73 Austritten und sechs Eintritten wieder im gewohnten Rahmen. Auch bei der katholischen Kirche gab es 2024 wieder deutlich weniger Kirchenaustritte als noch 2023. So verzeichnete die Andreas und Paulus Pfarrei Gossau 2023 243 Austritte und zwei Eintritten. 2024 waren es noch 119 Austritte und ebenfalls zwei Eintritte. «Die Austrittswelle infolge der Pilotstudie hat bei uns in der katholischen Kirchgemeinde Gossau noch ziemlich lange angehalten. Mittlerweile hat es sich wieder eingependelt. Seit ich hier in der Kirchgemeinde tätig bin, hatten wir allerdings schon immer eine konstante Anzahl an Austritten. Dies hat sich nicht geändert», so Pater Andy Givel, Pallottinerpater der Seelsorgeeinheit Gossau.
Dass die Austrittswelle inzwischen wieder abgeflacht ist, ist zwar positiv, die generelle Entwicklung der Mitgliederzahlen bleibt jedoch sowohl bei der katholischen sowie bei der evangelischen Kirchgemeinde besorgniserregend. Gerade finanziell sei der Mitgliederschwund immer mehr spürbar. Dies könnte sich langfristig auch auf das gesellschaftliche Engagement der Kirchen auswirken. Sinken die Kirchensteuereinnahmen weiter, ist es möglich, dass Dienstleistungen wie die Spital- und Gefängnisseelsorge, der Jugendtreff, das Sozialwerk Solidarität Gossau oder auch der Friedegg-Treff künftig nicht mehr im aktuellen Ausmass angeboten werden können. Zwar habe man sowohl bei der katholischen als auch bei der evangelischen Kirchgemeinde bislang noch keine sozialen Angebote streichen müssen, ob dies aber auch in Zukunft so bleibt, ist momentan ungewiss. «Dass man auch mit wenigen Mitgliedern eine Kirche sein kann, leben uns die Freikirchen vor. Auch wir könnten daher mit weniger Mitgliedern auskommen», erklärt Bernhard, «wir haben allerdings den Anspruch eine Landeskirche zu sein und wir wollen weiterhin gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Dazu benötigen wir Mitglieder.» Auch Andy Givel sieht in der Aufrechterhaltung des sozialen Engagements eine Herausforderung, meint aber gleichzeitig, dass die katholische Kirche noch andere Posten habe, bei denen man sparen könne – zum Beispiel bei den Liegenschaften. «Wir haben mehrere Kirchen und Pfarrzentren. Es ist zwar schmerzhaft, aber wir müssen uns ernsthaft fragen, was davon wir wirklich noch benötigen», so Givel.
Es sei nicht so, dass die ganzen sozialen Angebote zwangsläufig wegfallen würden, wenn die Landeskirchen diese nicht mehr bereitstellen könnten. Da sind sich Bernhard und Givel einig. Schliesslich könnten auch andere Institutionen, Vereine oder auch der Staat gewisse Leistungen anbieten und somit das Weggefallene kompensieren. Bernhard zweifelt allerdings an, dass dies auch tatsächlich in einem ähnlichen Ausmass umgesetzt würde. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Angebote der Kirchen nur durch die Mitarbeit zahlreicher Freiwilliger erhalten werden können. Würde der Staat diese Aufgaben übernehmen, müssten neue Stellen geschaffen werden. Die dabei anfallenden Lohnkosten müssten schlussendlich mit Steuergeldern finanziert werden. «Was uns als Kirche nicht gelingt, ist, den Leuten zu vermitteln, wofür Ihre Kirchensteuern ausgegeben werden. Manche haben das Gefühl, dass die Kirchensteuern an den Bischof oder den Papst fliessen. Viele wissen nicht, dass diese Steuereinnahmen ausschliesslich der Gemeinde zugutekommen», so Givel. Ein Thema, das in Gossau vor allem die katholische Kirchgemeinde beschäftigt, ist der immer kleiner werdende Anteil an jungen Leuten in der Kirche. Zwar treten auch ältere Leute aus der katholischen Kirche aus, der Anteil an jungen Erwachsenen sei jedoch deutlich grösser. «Ich glaube, das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, mit dem zum Beispiel auch Vereine zu kämpfen haben. Die jungen Leute wollen sich nicht mehr binden und übernehmen weniger gerne Verantwortung. Hinzu kommt, dass vermutlich viele nicht bereit sind, für Leistungen der Kirche zu bezahlen, die sie selbst nicht beanspruchen. Der gesellschaftliche Mehrwert geht oft vergessen», so Givel. Trotz vieler Herausforderungen zeigen sich sowohl Bernhard als auch Givel zuversichtlich, wenn es um die Zukunft der Kirche geht. Zwar gehen beide davon aus, dass die Mitgliederzahlen auch in den kommenden Jahren weiter sinken werden. Dies sei aber kein Todesurteil für die beiden Landeskirchen in Gossau. «Ich mache mir viele Gedanken über die Zukunft. Gleichzeitig bin ich überzeugt davon, dass es mit der katholischen Kirche weitergeht. In der Geschichte der katholischen Kirche hat es immer wieder Rückschläge gegeben, trotzdem ist die Kirche bestehen geblieben. Das macht mir Mut», so Givel.
Selim Jung
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