Maria Pappa
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Simon Sigg arbeitet seit elf Jahren für die Kirchgemeinde Gossau. tb
Obwohl die Mitte bei den Wahlen einen Sitz verlor, wurde Simon Sigg gleich bei seiner ersten Kandidatur ins Stadtparlament gewählt. Der Seelsorger der katholischen Kirchgemeinde Gossau übertraf drei Bisherige seiner Partei und schaffte es so auf Listenplatz 7.
Stadtparlament «Ich bin vor rund drei Jahren der Mitte-Partei beigetreten, daher kam die Anfrage für eine Kandidatur nicht überraschend. Ich habe mich dann gefragt, ob sich mein Engagement in der Kirche mit einem politischen Amt verbinden lässt und befand, dass nichts dagegenspricht», erklärt Simon Sigg. Er sei politisch schon immer interessiert gewesen und wolle etwas bewegen. Dass er tatsächlich gewählt wurde, habe ihn aber ehrlich überrascht, umso mehr als die Mitte einen Sitz verlor und er erstmals kandidierte. Seinen Wahlerfolg erklärt sich Sigg mit seiner Bekanntheit aufgrund seines kirchlichen Engagements und der Unterstützung durch viele junge Wählerinnen und Wähler. «Das hat mich sehr gefreut, schliesslich liegen mir die jungen Menschen nach wie vor sehr am Herzen, auch wenn ich schwerpunktmässig nicht mehr in der Jugendseelsorge tätig bin», erklärt Sigg. Dass Gossau auch für junge Menschen attraktiv bleibe und Freizeit- und Begegnungsmöglichkeiten bietet, sei denn auch eines seiner politischen Anliegen. Weiter wolle er sich für ein starkes soziales Netz einsetzen, das Menschen unterstützt, sowie für einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Ausserdem befürworte er eine Stärkung der Freiwilligenarbeit sowie des Bildungsstandortes Gossau.
Dass er mit diesen Ansichten zum linken Flügel der Mitte-Partei gehört, ist ihm bewusst. Dennoch sei für ihn keine andere Partei infrage gekommen: «Ich komme aus einem kirchlichen Umfeld und entsprechend habe ich am meisten Übereinstimmungen mit der Mitte-Partei. Ich fühle mich in der Partei sehr gut aufgehoben, wir haben eine gute Durchmischung», erklärt der 34-Jährige. Dass die Mitte ein breites Meinungsspektrum vereint, sieht er nicht als Nachteil – im Gegenteil: «Bei uns kommen viele politische Meinungen zusammen. Das macht den Diskurs herausfordernd, aber auch spannend.» Für Sigg ist Politik ein Mittel, um konstruktive Änderungen anzustossen. Entscheidungen müssten immer mit Blick auf Menschen getroffen werden: «Ich lege einen starken Fokus auf Menschliches und Soziales. Eine klare Werteorientierung ist mir wichtig.»
Das überrascht nicht angesichts des beruflichen Werdegangs des gebürtigen Rheintalers, der in Rheineck aufgewachsen ist und sich dort unter anderem im Verkehrsverein, im Fasnachts-OK und als Ministrant engagiert hat. Das Ministrieren führte ihn schliesslich auch zu seiner beruflichen Tätigkeit in der katholischen Kirche. «Bereits in der 5. Klasse habe ich im Dom in St.Gallen ministriert. Messmer Pius Baumann hat dort Jugendarbeit geleistet und mich begeistert», erinnert sich Sigg. Auch deshalb habe er sich für ein Religionspädagogikstudium in Luzern entschieden. «Es handelte sich um einen berufsbegleitenden Studiengang und so kam ich vor elf Jahren für eine Praktikumsstelle als Jugendseelsorger nach Gossau», berichtet der Neoparlamentarier. Während er für die katholische Kirchgemeinde als Jugendseelsorger tätig war, absolvierte Sigg ab 2020 zusätzlich ein Theologiestudium in Chur, das er im letzten Sommer abschloss. «Dadurch haben sich meine Tätigkeiten in der Gemeinde verändert. Heute halte ich Predigten, leite Beerdigungen und engagiere mich in der Altersarbeit», erzählt Sigg.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Seelsorger und einem Priester ist die fehlende Weihe. «Das ist eine Lebensentscheidung. Aber im Bistum St.Gallen haben wir als Seelsorger grossen Spielraum. Das ist nicht überall so», betont Sigg. Auf die Frage nach der Rolle der Frauen in der Kirche stellt er klar: «Ich wäre sofort dafür, dass Frauen nicht länger vom Priesteramt ausgeschlossen bleiben.» Der Grund für sein persönliches Engagement in der Kirche sei keinesfalls eine besonders religiöse Familie. «Wir sind zu speziellen Gottesdiensten wie an Weihnachten und Ostern in die Kirche gegangen, mehr nicht», erinnert er sich. Vielmehr habe ihn die Verantwortung fasziniert, die man ihm früh übertragen habe. Ausserdem sei er überzeugt, dass es eine Ebene gibt, die sich dem menschlichen Verstehen entzieht. «Und ich möchte mit meiner Tätigkeit Halt und Sinn im Leben finden und vermitteln», stellt Sigg fest.
Für die Arbeit im Parlament könne er aus seinem kirchlichen Engagement einiges mitnehmen. «Ich bin mich gewohnt, vor Leuten zu sprechen und kann eine Botschaft klar und verständlich vermitteln», analysiert Sigg. Ausserdem sei er teamfähig und darauf bedacht, dass leisere Stimmen ebenfalls gehört werden. Im Parlament werde er sicherlich auch das Wort ergreifen. Aber die politischen Debatten sehe er auch als Herausforderung. «Davor habe ich einen gewissen Respekt», räumt Sigg ein. Er werde sich dieser Herausforderung aber gerne stellen, um in Gossau politisch etwas zu bewegen.
Von Tobias Baumann
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