Kartrin Corazza
veröffentlicht unter dem Künstlernamen Katy O. ihr erstes Soloalbum.
Burghard Schneider (l.) und Stefan Walser sprechen in der Doku. z.V.g.
Im Februar 2024 war es definitiv: Nachdem das Konsultationsverfahren keine Lösungen hervorbrachte, die das Gesamtunternehmen sichern würde, wurde im Sommer 2024 die Produktion bei der AG Cilander in Herisau eingestellt. Nun kommt ein Dokumentarfilm dazu ins Kino.
Cilander Bei den Mitarbeitenden wie auch der Geschäftsleitung der AG Cilander war die Betroffenheit gross, als klar war, dass kein Weg mehr an der Schliesslung vorbeiführen würde. Gesamthaft waren rund 190 Mitarbeitende von der Schliessung betroffen, in Herisau waren es 160. Die AG Cilander suchte nach Anschlusslösungen für die Mitarbeitenden. Der Prozess der Schliessung und wie es zu dieser kommen konnte, wurde nun im Dokumentarfilm «Cilander – ein traditionsreiches Textilunternehmen schliesst seine Tore» aufgearbeitet. Andreas Baumberger, Filmemacher aus St.Gallen, erzählt, dass der einstündige Film zufällig entstanden sei. «Im Auftrag der Steinegg Stiftung waren wir bereits dabei, Produkte der AG Cilander filmisch festzuhalten für das Archiv. Als wir dann während der Dreharbeiten mit Stefan Sonderegger und Paul Zähner von der Stiftung in den bereits halbleeren Räumlichkeiten waren, kam uns die Idee», sagt Baumberger. Teilweise waren Räume schon leer oder noch im Abbau begriffen. «Ich fand das spannend. Man hört immer nur von Schliessungen und kann gar nicht dahinterblicken. Also stellte ich eine Anfrage», so der Filmemacher. Der ehemalige CEO Burghard Schneider und der ehemalige Produktionsleiter Stefan Walser hätten schnell zugesagt. «Danach ging alles sehr schnell – wir hatten auch nicht so viel Zeit, da wir die Hallen nicht komplett leer filnmen wollten», erinnert sich Baumberger. Es sei eine sehr spezielle Arbeit gewesen und habe sich ziemlich stark von seinen sonstigen Dokumentationen unterschieden.
«Ich konnte fast das gesamte Material, das wir gedreht hatten, verwenden. Das ist selten. Aber die beiden haben sehr gut gesprochen, waren offen und spontan», sagt Baumberger. Das Interview mit Schneider und Walser sei in einem Tag abgedreht gewesen. «Für mich als Dokumentarfilmer war es wertvoll, dass die beiden so authentisch waren und eine spannende Erzählweise hatten. Wir mussten nicht ins Gespräch eingreifen – das will man in Reportagen ohnehin vermeiden», so Baumberger. Paul Zähner und Stefan Sonderegger von der Steinegg Stiftung waren als Auftraggeber beim Interview-Dreh anwesend. Gesamthaft haben Baumberger und das Team vier Drehtage für die etwas mehr als einstündige Dokumentation aufgebracht. «Das Interview wurde mit Bildern aus dem Betrieb angereichert. Drohnenflüge durch die leeren Hallen sind eindrücklich», meint Baumberger. Filmisch sei automatisch eine aussergewöhnliche Stimmung aufgekommen in den fast leeren Hallen, in denen vielleicht ab und an noch ein Mensch zu sehen ist. «Musik haben wir sparsam eingesetzt. Wir fanden wichtig, der Stille viel Platz einzuräumen», sagt Baumberger.
Bei den Dreharbeiten haben die Beteiligten schnell gemerkt, dass die Schliessung an Schneider und Walser nagt. «Es ist ein wehmütiges Thema und das sieht man den beiden deutlich an. Es hat ihnen für die Mitarbeitenden sehr leid getan. Im Interview erläutern die beiden, wie es so weit kommen konnte», so Baumberger. Mit den ehemaligen Mitarbeitenden hat das Filmteam allerdings nicht gesprochen – dafür hätte die Zeit nicht gereicht. «Der Film entstand mit kleinem Budget und sehr spontan – was nur sehr selten vorkommt. Meist geht eine lange Planung voraus», meint Baumberger. Er habe kaum eine so reibungslose Produktion erlebt. «Sonst leide ich immer ein wenig bei meinen Filmen», meint Baumberger und lacht. Die Dokumentation lebt von den beiden Protagonisten und nimmt keine kommentierende Haltung ein. Baumberger kennt die AG Cilander, seit er denken kann – er wuchs in Herisau auf.
Auch Zähner setzt sich schon länger mit der Firmengeschichte auseinander. Derzeit arbeitet er an einem Buch. «Seitens Steinegg Stiftung haben wir das Cilander Archiv gesichert und es wird basierend auf diesen Quellen eine wirtschafts-historische Aufarbeitung geben. Im Zentrum steht dabei der Strukturwandel seit 1945, der sich dann ab circa 1985 beschleunigt», so Zähner. Es sei spannend zu verstehen, wie sich Globalisierung und veränderte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen am konkreten Beispiel auswirken und wo respektive weshalb kleine, export-orientierte Industrieunternehmen an ihre Grenzen stossen. «Strukturwandel und letztlich De-Industrialisierung, soviel kann ich vorwegnehmen, sind kein Zufall», meint Zähner. Er bedauert den Verlust der Arbeitsplätze für Herisau. «Natürlich stimmt es auch traurig, dass damit eine über 200 Jahre andauernde Firmengeschichte zu Ende geht. Aufgrund der komplett veränderten Rahmenbedingungen in dieser Industrie ist das aber zu akzeptieren und es ist jetzt vor allem wichtig für Herisau, dass wieder Neues entstehen kann», so Zähner.
Während der Dreharbeiten habe es einige Momente gegeben, welche Zähner und Baumberger bewegt haben. «Da waren starke Emotionen im Spiel – das war sehr berührend zu sehen. Ausserdem lernten wir vieles über die Firma, das wir noch nicht wussten – menschlich wie wirtschaftlich», meint Baumberger. Zähner beschreibt die Stimmung als besonders inmitten der soeben stillgelegten, riesigen aber menschenleeren Fabrikhallen. «Die Passagen, in denen Burghard Schneider und Stefan Walser über die Mitarbeitenden und ihre Loyalität gesprochen haben, waren am eindrücklichsten. Viele Passagen zu unserem heutigen Konsumverhalten im textilen Bereich gaben mir zudem schwer zu denken», meint Zähner. Bei der Abnahme des Films seien Schneider und Walser sehr gerührt und nachdenklich gewesen.
Der Dokumentarfilm wird nun am 11. und 12. November jeweils um 19 Uhr im Cinetreff Herisau gezeigt, beide Male sind das Filmteam und die beiden Protagonisten Burghard Schneider und Stefan Walser anwesend. «Ob der Film noch in anderen Kinos gezeigt wird, ist derzeit noch unklar. Es ist sicherlich eine lokale Geschichte, welche Herisauerinnen und Herisauer sowie Industrie- und Wirtschaftsinteressierte anziehen dürfte. Wir sind gespannt, wie er ankommt. Aber ich lege das natürlich jedem nahe, zumal ich noch nie einen Film über eine Firmenschliessung gesehen habe», sagt Baumberger. Unter www.cinetreff.ch können übrigens gratis Tickets reserviert werden.
Stefanie Rohner
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