Markus Buschor
Trotz Überprüfung der «Public Library» steht der Stadtrat hinter dem Projekt.
Geht es um Musik, kann man Jo Mittelholzer nichts vormachen. Der Herisauer gab zehn Jahre lang Führungen im Rock- und Popmuseum Niederbüren. Im November gab er seine letzte, bis im April wird er dem Vorstand noch erhalten bleiben, bevor er ganz aufhört.
Rock- und Popmuseum Mit begeisterter Miene und viel Elan führt Jo Mittelholzer aus Herisau durch die Räume des Rock- und Popmuseums in Niederbüren. Man merkt gleich: Diesem Mann kann man in Sachen Musikwissen und der Begeisterung daran das Wasser kaum reichen. Zehn Jahre lang hat er die Besucherinnen und Besucher durch die Räume geführt, ihnen unterhaltsame Geschichten der Musikerinnen und Musiker erzählt - damit ist nun Schluss. Seine Begeisterung aber bleibt. «Die Musik wird weiter Teil meines Lebens bleiben, jetzt habe ich wohl mehr Zeit, zu musizieren und für die Familie», sagt Mittelholzer. Seit seiner Jugend spielt er Gitarre und hat selbst in Bands gespielt. Doch wie landete er beim Rock- und Popmuseum? «Das Ehepaar Roland 'Tschiibii' und Uschy Grossenbacher aus Niederbüren hatten bei sich zu Hause eine riesige Sammlung an goldenen Schallplatten und Dokumenten, aus der Welt der Rock- und Popmusik», erzählt Mittelholzer. Er hat das Ehepaar an einem Anlass kennengelernt und kam mit den beiden ins Gespräch. «Ich musizierte und Tschiibii kam auf mich zu – er wusste alles über Musik», sagt er und lacht. Schliesslich sah er zum ersten Mal die grosse Sammlung des Ehepaars in deren Wohnung. «Alles war voll, kaum ein Zentimeter war noch frei an der Wand», erinnert sich Mittelholzer. Als noch eine Sammlung hinzukam, meinten die beiden, man müsse dafür Räume finden, der Platz gehe aus. Fündig wurden sie in Niederbüren. Die Liegenschaft musste aber erst renoviert und ausgebaut werden.
«Da wurde sehr viel Fronarbeit geleistet. Wände wurden herausgebrochen, es musste gemalt und Böden verlegt werden», sagt Mittelholzer, der selbst mit angepackt hat. Als die gesamte Sammlung ihren Platz an den Wänden fand, führte Tschiibii nach der Eröffnung 2013 erstmals aus, was er alles über die Platten, Musiker und Bands wusste. «Nach dem ersten Jahr sagte er zu mir, er könne die Führungen nicht mehr alleine bewältigen. So stieg ich mit einem guten Freund mit ein», sagt Mittelholzer. Er musste sich viel Wissen aneignen, welches er inzwischen verinnerlicht hat. «Wir haben einen Leitfaden für die Führungen, aber vieles musste ich zuerst in Erfahrung bringen. Vieles habe ich von Tschiibii gelernt, der stets mit viel Humor erzählte», meint er. Vieles wusste er selbst, wuchs er doch mit vielen der Legenden auf. Die Führungen stiessen auf grosses Interesse und schnell erreichte man ein Niveau, das sich sehen liess. «Bis vor der Pandemie kamen wir auf rund 240 Führungen pro Jahr», sagt Mittelholzer.
Roland und Uschy Grossenbacher haben sich 2023 zurückgezogen und Severo Marchionne hat das Präsidium des Rock-und Popmuseums übernommen. «Die Sammlung gehört nun dem Verein, die Grossenbachers haben aber einen sehr fairen Preis dafür verrechnet. Als Gast beginnt die Reise in die Welt der Musik im Jahr 1914, in Zeiten, in denen der Blues aufkam. «Entstanden ist dieser in der Zeit der Sklaverei, als die Arbeiter begannen, über ihre Umstände zu singen. Lange Zeit waren nur weisse Musiker für den Blues bekannt, da Schwarze damals nicht auftreten durften. Zum Glück aber wurde das aufgearbeitet und der Ursprung der Musik anerkannt», sagt Mittelholzer. Er befindet sich im ersten Raum des Museums, gestikuliert mit den Händen, taucht in sein Wissen ein. In den Räumen sind rund 80 Jahre Musikgeschichte zu finden und zu hören. Bei den Führungen werden Songs eingespielt, die Mittelholzer sogleich immer mitzureissen scheinen, die Texte könnte er wohl teilweise auswendig. Nach Blues und Rock'n'Roll, den Beach Boys und Elvis Presley sind einen Raum weiter die Beatles, AC/DC, The Who und auch The Doors zu finden. «Hier muss man natürlich auf den Club 27 zu sprechen kommen, da einige der grossen Musikerinnen und Musiker im Alter von 27 Jahren gestorben sind», sagt Jo Mittelholzer. Zu ihnen zählen unter anderem Jim Morrison, Janis Joplin, Kurt Cobain und Amy Whinehouse.
Oft entdeckt man an den Wänden die Unterschriften von bekannten Grössen der Musikgeschichte, auch der ein oder andere persönliche Gegenstand jener ist zu finden. Die weiteren Räume halten ebenso viel Spannendes bereit, viele Geschichten, die darauf warten, erzählt zu werden. Die Besucherinnen und Besucher sind sehr durchmischt, so Mittelholzer. «Da gibt es von Bikern bis hin zur Strickgruppe alles.» Seine Nachfolge für die Führungen ist gesichert, es wurden vier neue Leute eingearbeitet. «Wir haben einen roten Faden, aber jeder macht die Führungen individuell», meint Mittelholzer. Seine letzte Führung empfand er als speziell. «Aber ich kann guten Gewissens sagen, dass das Wissen nicht verloren geht.» Würde man sein Wissen über die Musik an der Gebäudegrösse des Museums messen, müssten wohl noch ein paar Stockwerke mehr errichtet werden. Und auch wenn er die Tür des Museums hinter sich schliessen wird, so bleibt die Musik doch in seinem Leben. «Mit der Gitarre und der Ukulele wird mir nicht langweilig.» Wer gerne mehr über wilde Eskapaden, Ursprünge von Genres und die Entstehung von Bands erfahren möchte, ist mit einem Besuch im Rock- und Popmuseum bestens bedient.
Stefanie Rohner
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