Karl Grob
gab sein Fachwissen an seine Berufskollegen im Benin weiter.
Rehkitzrettung mit Hegeobmann Felix Eberhard im Juni dieses Jahres. © Nicolas Senn / eastdesign.ch
Der Patentjägerverein Appenzell Ausserrhoden sorgt dafür, dass Rehkitze dem Mäher der Landwirte entkommen – in diesem Jahr konnten 233 Kitze gerettet beziehungsweise geborgen werden.
Rehkitzrettungen Rehkitze werden oft im hohen Gras geboren, da sie dort vor Feinden geschützt sind. Die tierischen Feinde finden sie nicht, da die Kitze die ersten zehn bis vierzehn Tage wenig Eigengeschmack haben. Da die Rehkitze für rund zehn Tage aber regungslos in den Wiesen liegen, kann ihnen der Mäher zum Verhängnis werden. «Landwirte können, bevor sie ihre Wiesen mähen, bei uns anrufen und wir suchen per Drohne mit Wärmebildkamera nach Rehkitzen ab», sagt Felix Eberhard, Hegeobmann und Mitglied im Vorstand des Patentjägervereins. Es ist bereits das vierte Jahr, in dem der Verein die Rehkitze aus den Wiesen holt. Die Jagdverwaltung Appenzell Ausserrhoden unterstützt den Patentjägerverein dabei vor allem in administrativen Angelegenheiten. «Sie haben für uns Stiftungen kontaktiert, dank derer wir die Anschaffung von Drohnen überhaupt finanzieren können», sagt Eberhard. Der Einsatz einer solchen Drohne würde mit Zubehör, Ausbildungskurs und Wärmebildkamera rund 10'000 Franken kosten. Im Hinterland gibt es bislang nur eine Drohne, die zum Einsatz kommt. Das soll sich aber im kommenden Jahr ändern – vier werden laut Eberhard dazukommen. «Oftmals sind Jägerinnen und Jäger selbst die Drohnenpiloten, es kommt aber auch vor, dass Private sich melden, um uns zu unterstützen. Wir arbeiten alle unentgeltlich für diese Sache», sagt Eberhard. Die Kitze behändigen dürfen allerdings nur Jäger. Spricht Eberhard von behändigen, meint er, dass der Jäger das Kitz aus der Wiese entfernt und unter einer Kiste am Waldrand platziert. «Die Kitze sollten nur mit Latexhandschuhen oder mindestens mit einem grossen Grasbüschel behändigt werden, ansonsten werden sie von der Rehgeiss nicht mehr angenommen», sagt er. Die Kisten am Waldrand werden mit Material beschwert oder mit Zaunpfählen gesichert, damit die Mutter oder der Fuchs die Kiste nicht umkehren können. «Die Rehkitze 'fiepen', also pfeifen manchmal unter der Kiste. Das kann auch die Füchse anlocken», so Eberhard. Die Rehkitze bleiben bis nach dem Mähen unter dem Harass in Sicherheit. Anschliessend werden sie wieder in die Freiheit entlassen und durch die sich in der Nähe befindende Rehgeiss an einem neuen «sicheren» Ort abgelegt.
Die Einsätze für die Rehkitze beginnen für den Patentjägerverein Ausserrhoden im Mai, wenn die Kitze «gesetzt», also geboren werden. «Bei den Landwirten ist inzwischen bekannt, dass man uns anrufen kann. Dort, wo es noch nicht so etabliert ist, machen wir mit Flyern und einem Schreiben an die Landwirte darauf aufmerksam. Das Ganze kostet sie auch nichts», sagt Eberhard. Das Engagement kommt nicht nur den Rehkitzen zugute, sondern ist auch für die Landwirte wichtig. «Wenn mit dem Mäher ein Rehkitz vermäht wird und Teile des Kadavers in der Silage verbleiben, kann es sein, dass Futtermittel mit Botulinum-Toxinen kontaminiert wird, was zu schweren Vergiftungen führen kann. Für Rinder und andere Nutztiere kann das tödlich enden», sagt Eberhard. Man habe in anderen Kantonen deshalb schon ganze Rindbestände verloren.
Beim Abfliegen von Wiesen mit der Drohne mit Wärmebildkamera wurden auch schon andere Tiere wie Katzen oder Hasen gefunden und geborgen. «Die heutigen Mäher der Landwirte sind oftmals so schnell, dass die Tiere nicht so rasch reagieren können», sagt Eberhard. Trotz Bergung der Kitze und anderer Tiere komme es aber vor, dass doch mal eines übersehen werde und unter den Mäher gerät. «Das kann leider vorkommen», sagt Eberhard. Von den 233 geborgenen Rehkitzen wurden 114 markiert. Dies ist eine Langzeitstudie des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), welche in den 1960 Jahren lanciert wurde. Das Ziel der Studie ist es, bessere Kenntnisse über Biologie, Populationsdynamik und Wanderverhalten der Rehe in der Schweiz zu erlangen. So habe man auch schon herausgefunden, dass ein Reh eine Strecke von fast zehn Kilometern zurückgelegt habe – und das, obwohl sie meist in ihrem Revier bleiben.
Nicht alle der geretteten Rehkitze überleben lange. Teilweise sterben sie an Krankheiten, enden als Nahrung für Fuchs, Raubvögel und wildernde Hunde – oder aber werden im Herbst bei der Jagd erlegt. «Allerdings gehört dies auch dazu, da die Jagd der Regulierung dient. Und wir schiessen zuerst die schwachen und kranken Tiere – die Jagd ist klar geregelt», sagt Eberhard. Der Verein hat noch andere Aufgaben. Es werden Lebensräume und Waldränder aufgewertet, alte Stacheldraht- und Maschendrahtzäune entlang von Waldrändern entfernt und Strassenränder mit roten oder blauen Folien markiert. «Diese dienen dazu, dass Rehe weniger über die Strasse rennen, wenn Autoscheinwerfer auf die Folien leuchten», so Eberhard. Des Weiteren gibt es für die Mitglieder des Vereins immer wieder Weiterbildungen und Jägerinnen und Jäger werden ausgebildet. «Ich selbst koordiniere als kantonaler Hegeobmann mit allen Bezirken – Vorder-, Mittel- und Hinterland – alles, was anfällt, verbessert werden kann und wer bei der Rehkitzrettung helfen kann.» Seit 2002 sei er im Verein und mache es nach wie vor sehr gerne. «Mir gefällt die Verbundenheit mit der Natur, der Kontakt mit Landwirten, die Kameradschaft unter den Jägern und die Rehkitzrettung bereitet mir grosse Freude», sagt er. Ab September geht jeweils die Jagd los, welche den Bestand regulieren soll. «Ich gehe gerne auf die Jagd. Regionaleres und biologischeres Fleisch kann man gar nicht geniessen. Und für mich ist es keinesfalls ein Widerspruch, zu retten und zu jagen», sagt er.
Stefanie Rohner
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