Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Prominenter Besuch für die beiden Gönnervereinigungen des TSV Fortitudo Gossau: Mit Andy Schmid erzählte kein Geringerer als der beste Schweizer Handballer der Geschichte von besonderen Erlebnissen seiner eindrücklichen Spielerkarriere und vom Übergang ins Amt des Schweizer Nationaltrainers.
Werk 1 Würde ein Fussballer von Schmids Renommee in einem Restaurant Halt machen, man müsste Ordner damit beauftragen, den Spieler von der Menge abzuschirmen und die Wege freizuhalten. Doch Schmid ist nicht Fuss-, sondern Handballer und so kann er beinahe unerkannt ins Restaurant eintreten. Doch den sportlichen Vergleich mit besagten Fussballstars braucht Schmid nicht zu scheuen. Nicht umsonst wurde er wiederholt als «Messi des Handballs» bezeichnet. Fünfmal hintereinander wurde der Schweizer in der Bundesliga, die in dieser Zeit als die beste Liga der Welt galt, zum wertvollsten Spieler gewählt. «Es waren schöne persönliche Auszeichnungen, über die ich mich Ende Saison jeweils freute, aber ich war damals so im Tunnel, dass ich den Wert kaum einschätzen konnte», erklärt Schmid im Gespräch mit Marco Ellenberger. Der langjährige Kommunikationsverantwortliche des Schweizer Handballverbandes verstärkt seit dieser Saison die Geschäftsstelle des TSV St.Otmar und führte im Auftrag der Forti-Gönner durch den Abend. Ob nie die Gefahr bestanden habe, abzuheben ob all dieser Ehrungen, wollte der Interviewer von Schmid wissen. «Überhaupt nicht. Einerseits wurde ich bodenständig erzogen, andererseits hat für mich Konstanz im Sport eine sehr hohe Bedeutung und so sah ich die Auszeichnungen immer auch als Ansporn, in der nächsten Saison nochmals genauso abzuliefern», erklärt Schmid.
Die zwölf Jahre bei den Rhein Neckar Löwen bezeichnet Schmid als die besten Handballjahre seines Lebens, durfte er doch in Mannheim zwei Meistertitel und einen Cupsieg feiern. In seinen besten Jahren habe er enorm viel Selbstvertrauen gehabt. «Ich hätte das nie gesagt, aber damals lief ich mit der Überzeugung aufs Feld, dass mir niemand das Wasser reichen kann», erzählt Schmid. Doch der neue Schweizer Nationaltrainer, der nach der EM im Januar per sofort als Spieler zurücktrat, hatte auch andere Zeiten erlebt. 2010 kam er zu den Löwen, nachdem er in seiner ersten Auslandsaison in Dänemark zum besten Spieler der Liga gewählt worden war. Doch in Mannheim konnte er diese Leistungen im ersten Jahr nicht bestätigen. «Der Verein hat die für Handballverhältnisse hohe Ablösesumme von einer halben Million Franken bezahlt und mit diesem Preisschild auf der Stirn bin ich nach Deutschland gekommen und konnte nicht liefern», erinnert sich der Rekordtorschütze der Schweizer Nationalmannschaft. Er habe damals ein seltsames Bauchweh gespürt, das ihn hinderte, gute Leistungen zu erbringen. Ende Saison wurde Schmid von einem Fachmagazin zum «Absteiger des Jahres» gekürt. Danach habe er im Sommer viel Zeit allein verbracht und mental einen Schlussstrich hinter die Saison gesetzt, was er auch auf Papier brachte. Die mentalen Tricks hätten ihm Sicherheit gegeben und so habe er den Turnaround geschafft. «Wer in einem Spiel wie Handball, in dem so vieles intuitiv geschieht, zu viel nachdenkt, ist geliefert», weiss Schmid.
Die Einstellung mutig zu sein, auch wenn Fehler passieren, gibt der Innerschweizer nun seinen Spielern weiter. Dass Schmid Nationaltrainer werden würde, stand schon vor Beginn der letzten Saison fest. Geplant war der Amtsantritt allerdings erst für diesen Sommer. Mit dem Rücktritt bereits Ende Januar wollte sich Schmid eine Verschnaufpause nach einer langen Karriere verschaffen. «Doch dann lösten der Verband und Michi Suter den Vertrag auf – was hatte ich da für eine Wahl?», erklärt Schmid, wie es zum frühzeitigen Amtsantritt gekommen ist. In seiner neuen Rolle stehen EM-Qualifikationsspiele im Herbst und eine WM zu Beginn des neuen Jahres an. Beide Male wird die Schweiz wiederum auf Deutschland treffen. Gegen das Land, in dem Handball einen weit höheren Stellenwert geniesst als bei uns und in dem Schmid dank seiner Leistungen ein enorm hohes Standing besitzt, spielten die Schweizer schon an der EM im Januar. Im Eröffnungsspiel, das in Düsseldorfs Fussballstadion ausgetragen wurde und damit zum Weltrekordspiel bezüglich Zuschauer wurde, kassierten die Schweizer eine üble Schlappe. «Ich wollte nur noch im Boden versinken und habe die nächsten Tage mein Zimmer jeweils nur kurz verlassen», erzählt Schmid. Doch glücklicherweise konnten die Schweizer danach gegen Frankreich beweisen, dass sie weit besser sind als im ersten Spiel gezeigt. Im dritten Schweizer EM-Spiel gegen Mazedonien kürte sich Schmid in seinem 218. Länderspiel dank zwölf Treffern gar noch zum Schweizer Rekordtorschützen. «Ein Mitspieler hat mich darauf hingewiesen, dass ich nur noch ein Tor brauche. Da habe ich im nächsten Angriff nochmals einen Schuss genommen. Das werde ich wohl einst meinen Grosskindern erzählen», sagt Schmid lachend.
Als Trainer gilt Schmid schon nach kurzer Zeit als sehr akribisch, wie Ellenberger aus dem Umfeld der Nationalmannschaft weiss. «Ich habe mein Konzept gegenüber dem Verband als leistungsorientierte Wohlfühloase bezeichnet. Die Spieler sollen in der Nationalmannschaft eine gute Zeit haben, aber sobald wir auf dem Feld sind, müssen sie alles investieren, was sie haben», so Schmid. Wer von den Spielern so viel verlange, müsse selbst mit gutem Vorbild vorangehen und perfekt vorbereitet sein. Doch trotz aller Ernsthaftigkeit wolle er sich eine gewisse Kindlichkeit bewahren. Diese kindliche Freude durfte der Nationaltrainer beim Besuch in Gossau gleich hautnah miterleben, als er eine Gruppe Jungs der 4. Klasse von Annica Allenspach aus dem Notkerschulhaus ehrte. Die Jungs hatten sich Mitte Juni in Altdorf zu Schweizer Meistern im Schulhandball gekürt. Dass er selbst einst Schulhandball gespielt hätte, daran konnte sich Schmid nicht mehr erinnern. Aber sehr wohl, wie er zum Handball gekommen war: «Ich ging ins Fussballtraining, es regnete die ganze Zeit und ich stand völlig durchnässt im Tor. Danach wusste ich: Das ist nichts für mich und ich ging mit Kollegen ins Handballtraining. Dort hat es mir den Ärmel reingezogen.» Da er körperlich nicht so weit war wie gewisse Teamkollegen, sei er allerdings nie auf dem Radar der Regionalauswahltrainer gelandet. In Zukunft müssten Talentscouts noch mehr darauf achten, dass technisch starke Spieler nicht verloren gehen, nur weil sie körperlich unterlegen sind. «Denn der Handball wird immer schneller und dynamischer. Technisch gut zu sein, wird noch wichtiger, während die Grösse an Bedeutung verliert», schloss Schmid.
Von Tobias Baumann
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