Maria Pappa
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Heute Donnerstag feiert der am Zürich Filmfestival ausverkaufte Film «Home is the Ocean» Kinopremiere in St.Gallen. Die St.Galler Filmemacherin Livia Vonaesch begleitete für dieses Projekt die Ostschweizer Familie Schwörer während sieben Jahren immer wieder auf hoher See.
Livia Vonaesch, was war Ihre persönliche Motivation für dieses Projekt?
Mich interessieren Menschen, die ihren Visionen nachgehen und im Falle von dieser Familie auch einen unkonventionellen Lebensstil führen. Die Familie Schwörer ist seit 25 Jahren mit ihrer Expedition auf dem Segelschiff unterwegs. Ich wollte herausfinden, wie diese nomadische Lebensweise das Aufwachsen der Kinder beeinflusst. Oft wird das Leben auf dem grenzenlosen Ozean mit Freiheit assoziiert. Ich wollte beobachten, wie frei ein solches Leben tatsächlich ist.
Was steckt hinter dem Lebenskonzept der Familie Schwörer, das Leben mit ihren sechs Kindern ohne festen Wohnsitz fast ausschliesslich auf den Weltmeeren zu verbringen?
Dario und Sabine Schwörer-Ammann gründeten die TOPtoTOP Global Climate Expedition, deren Vision es ist, junge Menschen zur Rettung unseres Planeten zu inspirieren. Seit 25 Jahren reisen sie mit Muskel- und Windkraft über sechs Kontinente, halten Vorträge an Schulen und sammeln Daten für Forschungsprojekte an den entlegensten Regionen der Welt. Unterwegs wurden ihre Kinder auf verschiedenen Kontinenten geboren.
Empfinden Sie für diese Art von Leben ausschliesslich Bewunderung?
Es hat mich nie interessiert, den Lebensstil der Schwörers zu bewerten. Mit dem Film will ich bewusst keine Antworten liefern. Der beobachtende Filmstil erlaubt es dem Publikum, in den aussergewöhnlichen Lebensstil der Familie und auch in die Natur einzutauchen. Erfahrungsgemäss löst der Film bei allen Fragen zur persönlichen Einstellung in Bezug auf soziale Strukturen, Konventionen, Erziehung und Freiheit aus. Ich beobachtete, wie die sechs Kinder selbstbewusst, sozial kompetent und verantwortungsvoll sind, mit einem sensiblen Gespür für die Zeichen der Natur. Gleichzeitig verzichten sie auf Bestimmtes, etwa den regulären Schulunterricht, wie ihn die meisten von uns kennen.
Während längeren Zeitabschnitten lebten Sie gemeinsam mit der achtköpfigen Familie auf engstem Raum auf einem 15 Meter langen Segelschiff. Eine vermutlich nicht ganz einfache Herausforderung sowohl für Sie als auch für die Familie?
Ja, das war für uns alle immer wieder herausfordernd. Wir führten viele Gespräche über unsere Beziehung. Auf diesem engen Raum teilten wir alles miteinander und somit waren wir uns sehr schnell sehr nah. Ich durfte bei sehr privaten Momenten wie zum Beispiel der Geburt dabei sein, was nicht selbstverständlich ist und wofür ich der Familie sehr dankbar bin. Gleichzeitig war es mir als Regisseurin wichtig, eine gewisse Distanz zu bewahren, um für den Film immer wieder reflektieren zu können. Das war ein regelrechter Tanz. Übrigens befindet sich auch alles, was die Familie besitzt, auf ihrem Schiff inklusive Cello, Geigen und Velos.
Gab es Momente, in denen Sie Angst empfanden und lieber festen Boden unter den Füssen gespürt hätten?
Ich erlebte hautnah die gewaltige Kraft der Natur auf dem Nordatlantik, beispielsweise mit seinen meterhohen Wellen. Nicht selten habe ich mich sehr klein und unbedeutend gefühlt auf diesem Planeten. Da wurde ich auch mit Ängsten konfrontiert, die ich vorher nicht kannte. Gleichzeitig überwältigte mich auch immer wieder die Unendlichkeit des Meeres und die tanzende Lebendigkeit seiner vielen Bewohner. Als ich seekrank wurde, hätte ich mir natürlich festen Boden unter den Füssen gewünscht.
Welche Bedeutung hatten für Sie die ausverkauften Vorstellungen von «Home is the Ocean» am Zürich Film Festival?
Es war eine Ehre, dass wir mit dem Film am ZFF Teil des Internationalen Wettbewerbs sein konnten. Die Weltpremiere war ein bewegender Moment mit Produzentin Mirjam von Arx, unserem Team, der Familie Schwörer und meinem Umfeld, das die siebenjährige Entstehung begleitete. Bei den Vorstellungen am ZFF wurde gelacht, geweint und danach jeweils diskutiert. Mich berührte es, dass der Film die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dieses Segelschiff und damit auf ihre jeweils ganz eigenen Reisen entführt.
Interview: Astrid Nakhostin
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