Laura Bucher
Die Revision des Behindertengesetzes soll Barrieren beseitigen.
Vor 125 Jahren, kam das St.Galler Publikum das erste Mal in den Genuss der Weltsensation Film. Dies nur zwei Jahre nach der ersten Präsentation durch die Brüder Lumière in Paris. Damals wurde in der «Ostschweiz» der «weltberühmte Kinematograph der Brüder Lumière im katholischen Gesellenhaus an der Rorschacherstrasse 50, später «Hotel Ekkehard», angekündigt.
Kinogeschichte Diese ersten «lebenden Bilder» wurden in St.Gallen unter Mitwirkung einer Abteilung des Theaterorchesters gezeigt. Damals bestanden offensichtlich noch keine Vorbehalte gegenüber dem Film, der wenig später oft als unmoralisch bezeichnet und der Zensur unterworfen wurde. Der Eintritt kostete einen Franken, auf der Galerie 50 Rappen. Wenig später wurden während sechs Abenden im Hotel Schiff an der Multergasse 26 die «neuesten sehr interessanten Bilder» mit dem Kinematographen aus Lyon vorgeführt. Unbestätigten Berichten zufolge sollen im «Hotel St.Galler Hof» (Haus «Kreml») am Unteren Graben 1 ebenfalls Filme vorgeführt worden sein.
Die Gebrüder Leilich gastierten noch vor der Jahrhundertwende mit einem Zelt-Kino am Jahrmarkt. Sie erkannten die Zeichen der Zeit und bauten parallel zu den Zeltvorführungen ein Netz von festen Kinos auf. Ein Jahr später folgte Georges Hipley-Walt mit einem Kino-Zelt und versorgte die neugierigen St.Galler mit Aufsehen erregenden «lebenden Bilder». Der damalige Polizeidirektor Carl Zuppinger berichtete, dass das Zelt-Kino in den folgenden Jahren zur ständigen Einrichtung auf dem Jahrmarkt wurde. Wegen des Publikumansturms genügte ein Kino-Zelt bald nicht mehr und es wurden zwei Betrieben die Bewilligung erteilt.
Ab 1906 erhielt der junge Velohändler Louis Andreazzi, der Erbauer der Velorennbahn in St.Fiden, die Bewilligung in seinem Velogeschäft an der Rosenbergstrasse 53 ein Kino einzurichten. Weshalb das Projekt doch nicht realisiert werden konnte, ist nicht bekannt. Ein Jahr später folgte dann auch in St.Gallen die Zeit der festen Kinos, indem an der St.Leonhardstrasse 22 der «Pariser Kinemathograph Radium» eröffnet wurde. Es gab drei Vorstellungen pro Tag. Der Eintritt kostete 1.20 Franken. Auf dem Programm stand «Der französische Militärzuchthäusler in Algerien». Die ersten Spielfilme eroberten die Welt. 1911 dürfte der Betrieb des Kinos aber schon wieder eingestellt worden sein. 1908 entstand die «Elektrische Lichtbühne Magnihalden», ab 1959 «Storchen» genannt. Besitzer war der Film-Pionier der ersten Stunde, Georges Hipley-Walt. Er kündigte in einer Annonce die «Vorzeigung neuester und vorwiegend lehrreicher Bilder» an. Damals erhielt Hipley auch die Niederlassungsbewilligung in St.Gallen, die aber 1909 bereits wieder zurückgezogen wurde. Er verlegte seine vielseitigen filmischen Tätigkeiten nach Zürich.
1911 wurde das «America Kinema» an der Ecke Vadianstrasse 22/Kornhausstrasse 18 eröffnet, das später Jahrzehnte lang als Cinema «Capitol» betrieben wurde. Es gehörte Lazare Burstein, der aus Russland stammte. Er gab auch die Schrift «Das Echo» heraus, mit dem er sich gegen Angriffe energisch zu wehren verstand. 1912 gründete er zusammen mit seinem Angestellten die erste Filmverleih-Firma in der Schweiz, die «Monopol Films». Das lukrative Geschäft verlegte er 1914 nach Zürich. Von 1913 bis 1928 war am Untern Graben 1, im Haus «Kreml», das «Union Lichtspieltheater» domiziliert. Von 1918 bis 1973 existierte das «Apollo» an der Grossackerstrasse 3 (heute «Theater 111»).
Ein weiteres Kino ausserhalb des Stadtzentrums war die «Palme» an der Oberstrasse 175, das von 1921 bis 1926 existierte. Es wurde vom Wirt des am gleichen Domizil vorhandenen Restaurants, Johann Jakob Künzler, der vorbestraft war, betrieben. Gegen die Einrichtung wehrten sich neben anderen Organisationen die evangelische Kirchenvorsteherschaft und die katholische Kirchenverwaltung Straubenzell vergeblich. Der Stadtrat verwies auf die verfassungsmässig garantierte Gewerbefreiheit.
Es folgte bald die Zeit der St.Galler «Kinozaren», die das örtliche Geschäft beherrschten, begünstigt durch den Vorteil, gleichzeitig mehrere Filme mieten zu können. Der erste war Jules Schulthess, der 1923/24 das «Palace» übernahm, das bis 2005 existierte. Die Stadt kaufte das Gebäude und stellte die Kinoräumlichkeiten dem Verein «Association Palace» für Veranstaltungen und einem vielseitigen Musikprogramm zur Verfügung. Die Kinos blieben über Jahrzehnte wichtige Unterhaltungsstätten. Nach Jules Schulthess wurde Franz Anton Brüni zum Besitzer der St.Galler Kinos. Es entstanden noch 1952 das «Rex» an der Zwinglistrasse 2/Blumenbergplatz, 1953 das «Hecht» am Bohl, später in «Scala» umgetauft, und das «Säntis», später «Tiffany», an der Lämmlisbrunnenstrasse. Ein 50-jähriges Dasein erlebte auch das 1962 eröffnete «Corso». Der mehr Effizienz ermöglichende Trend zu grossen Kinozentren mit guter Erreichbarkeit auch für den motorisierten Verkehr führte 2003 zum Bau des «Cinedoms 1-8» an der Grenze St.Gallen/Abtwil. Im Zentrum ist lediglich noch das «Scala» in Betrieb. Die Kinos werden nicht mehr von St.Gallen aus gemanagt, sondern von «Blue Cinema» der KITAG Kino-Theater AG. Ausserhalb dieses Konzerns wird in St.Gallen einzig seit 1911 das «KinoK» in der Lokremise betrieben, das für eine Erweiterung des Filmprogramms sorgt.
Von Franz Welte
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