Christine Bolt
Die Olma Messen St.Gallen AG startet ein Effizienzprogramm.
Theaterstück «Der ‘Grüne Heinrich’ von Fischenthal»: Schauspieler Matthias Peter schreibt in der Rolle des Autors Jakob Senn an den Nationaldichter Gottfried Keller. Timon Furrer
Zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Jakob Senn hat der Leiter der St.Galler Kellerbühne und Publizist Matthias Peter als Projektleiter für eine vielfältige Reihe von Jubiläumsveranstaltungen gesorgt. Eine Ausstellung in der Bibliothek Hauptpost, ein Theaterstück und ein Film zeichnen das Leben mit einem schriftstellerisch fruchtbarem vierjährigen Aufenthalt in St.Gallen nach.
Literaturgeschichte Matthias Peter befasste sich schon früh und intensiv mit dem bildungshungrigen Autodidakten Jakob Senn, dessen Werke eine ergiebige Quelle für Sozialgeschichte und Volkskunde darstellen. Gleichzeitig erschloss er die umfangreichen Tagebücher mit 2700 Seiten von Senns Bruder Heinrich. Peter veröffentlichte in den 90er-Jahren schrittweise das faszinierende Quellenmaterial vor allem in Zeitungspublikationen. 2006 hat er es gesammelt als Buchpublikation «Jakob und Heinrich Senn – Zeitbilder der Schweiz aus dem 19. Jahrhundert» herausgegeben.
Zum jetzigen 200-Jahr-Jubiläum legt Peter mit der Wanderausstellung «Jakob Senn – der ‘Grüne Heinrich` von Fischenthal» den Fokus auf die «Alphabetisierung und Literarisierung der Landbevölkerung im 19. Jahrhundert». Wie Peter darlegt, war es damals äusserst schwierig, sich im bildungsfeindlichen Umfeld Lektüre zu beschaffen. «Sein literarisches Schaffen hat er in der Nacht dem Schlaf abgespart, um anschliessend frühmorgens im Stall und dann in der Heimweberei zu arbeiten», berichtet der Leiter der Kellerbühne. «Er wollte aber unbedingt weg vom Webstuhl». Dies gelang Senn dank der Vermittlung durch den Fischenthaler Pfarrer Johann Heinrich Müller, indem er fortan als Gehilfe in einem Antiquariat in Zürich wirken konnte. Doch Senn wollte hauptamtlicher Schriftsteller werden und gab die Zeitschrift «Grüne Wälder» heraus. 1863 verfasste er hier sein Hauptwerk «Hans Grünauer», das jedoch erst 1888 posthum erschien. Die Verwandtschaft zum «Grünen Heinrich» ist nach Peter offenkundig. Senn hatte ihn Gottfried Keller vorgelegt, aber keine Antwort erhalten. Gedruckt wurden dagegen in Zürich seine Mundart-Dichtungen.
Senn lernte Anna Brandenberger kennen und lieben. Aus dieser Beziehung kam 1862 der Sohn August Brandenberger zur Welt. 1864 heiratete er Anna. Es folgten ab 1964 die für Jakob Senn schriftstellerisch sehr fruchtbaren vier St.Galler Jahre, indem das Paar das Wirtshaus zum Zeughaus («Züghüsli») übernahm. Es waren glückliche Jahre, bis Senn finanziell scheiterte. Geführt wurde der Betrieb gemäss Peter vermutlich zur Hauptsache durch Anna, während sich Jakob Senn dem Schreiben widmete. 1867/68 übernahm das Paar das Restaurant «Vor Speisertor», das noch bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts bestand. Er veröffentlichte in zwei St.Galler Verlagen Biografien über den Zürcher Bürgermeister Hans Waldmann und über den Pfarrer und Statistiker Johann Heinrich Waser, beide Opfer von Justizskandalen. Und dann – nach Peter seiner Zeit weit voraus – gab er «Die interessantesten Kriminalgeschichten aus alter und neuer Zeit» heraus, eine Sammlung von 41 haarsträubenden Fälle auf 600 Seiten. Peter hält es für möglich, dass ihn Stiftsarchivar Gonzenbach zu diesem Buch inspiriert hat, war dieser doch in den 1850er-Jahren zehn Jahre lang Verhörrichter und anschliessend Stammgast im «Züghüsli». Das Werk erschien nicht unter Senns Namen, sondern unter der Autorschaft eines angeblich «vieljährigen höheren Gerichtsbeamten». Im Vorwort schreibt er von «aktenmässig behandelten Fällen, ohne jegliche ungehörige Ausschmückung und Zutat».
Das «Spisertörli» erwies sich als zu teuer und das Paar musste es aufgeben. Nach dem Verkauf wanderte es nach Südamerika aus, wo Senn in Montevideo in verschiedenen Berufen arbeitete und auch als Übersetzer tätig war. 1879 kehrte er allein in die Schweiz zurück, wo er als Honorarkonsul von Uruguay ein Auswanderungsbüro eröffnen sollte. Senn geriet jedoch in Not, litt zunehmend an psychischen Problemen und nahm sich schliesslich mit einem Sprung in die Limmat das Leben.
Zu den Jubiläumsaktionen gehört ein Film, den Peter als Glücksfall bezeichnet, weil er den Filmemacher Werner Tobler kannte, der ihn für dieses Vorhaben begeisterte. Es handelt sich um einen einstündigen Dokumentarfilm, für den Peter das Drehbuch geschrieben hat. Die Ausstellung in der Bibliothek Hauptpost basiert auf einer früheren, allerdings mit zusätzlichen Tafeln und Dokumenten. Es ergibt sich ein spannendes Gesamtbild des mühsamen Wegs der Alphabetisierung und Literarisierung der damaligen Landbevölkerung. Das Theaterstück berichtet von Jakob Senns Entwicklung vom Heimweber zum Dichter, insbesondere aber vom Wirt und Autor in St.Gallen, aber auch von seinem tragischen Ende. Es handelt sich hier ebenfalls um eine Überarbeitung einer früheren Version. Peter tritt in der Neuinszenierung solo als Jakob Senn in seinen verschiedenen Lebensphasen auf, verkörpert aber auch seinen Bruder Heinrich und die literarische Figur Hans Grünauer. So kann auch das grosse schauspielerische Talent des künstlerisch vielseitigen Leiters der St.Galler Kellerbühne wieder erlebt werden. Last, but not least erscheint zum 200. Geburtstag Jakob Senns Hauptwerk «Hans Grünauer» mit starken autobiografischen Bezügen im Limmat-Verlag neu.
Ausstellung in der Bibliothek Hauptpost vom 14. Februar bis 9. März. Zugänglich während der Öffnungszeiten der Bibliothek. Führungen Mittwoch 21.2: 18 Uhr. Samstag, 2.3: 14 Uhr. Samstag, 9.3: 11 Uhr.
Theaterstück in der Kellerbühne «Der Grüne Heinrich von Fischenthal», Kellerbühne Mittwoch, 14.2: 20 Uhr. Freitag, 16.2: 20 Uhr, Sonntag, 25.2: 11 Uhr. und Sonntag, 2.3: 17 Uhr
Film Kellerbühne, Sonntag, 18.2: 15 und 17 Uhr. Montag, 19.2: 20 Uhr.
Von Franz Welte
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