Denise Hofer
«Verknüpfung» ist eine nachhaltige und verbindende Kunstinstallation.
Edgar Oehler war einer der erfolgreichsten Ostschweizer Wirtschaftsführer. ⋌z.V.g.
Edgar Oehler, erfolgreicher, aber auch schillernder Unternehmer, ist 83-jährig nach einer Alzheimer-Erkrankung gestorben. Über Jahrzehnte war er die prägende Persönlichkeit der Ostschweizer Wirtschaft und Politik.
Nekrolog Edgar Oehler besuchte von 1956 bis 1962 die Kantonsschule St.Gallen. Von 1963 bis 1967 studierte er an der Hochschule St.Gallen (heute Universität) Staatswissenschaften und promovierte nach mehreren Auslandaufenthalten 1975. Neben dem Studium führte er sein eigenes Gipsergeschäft an seinem Wohnort in Balgach. Als Frühaufsteher erledigte er auch in späteren Jahren ein erstaunliches berufliches Pensum ohne sichtbare Ermüdungserscheinungen. Er agierte stets souverän und beherrscht, trotz immer wieder auftauchender Probleme, manchmal aber auch handstreichartig, wenn rasche Vorteile zu sehen waren. Von 1971 bis 1995, als ihn die CVP mit einer Amtszeitbeschränkung («Lex Oehler») aus der Politik kippte, war er aktives CVP-Mitglied des Nationalrates. Dort zeigte er ein breites Interessenspektrum. Schwergewichtig tätig war er in der Wirtschafts-, Finanz-, Aussen- und Staatspolitik. Wenig bekannt ist, dass er sich trotz konservativer Ausrichtung auch für wenig begüterte Menschen einsetzte. Er bewirkte auch, dass Adoptionsvermittlungsstellen, die Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka organisierten, weiter operieren konnten. Selbst adoptierte er vier Mädchen aus Sri Lanka. Seiner Tochter Andrea übertrug er 2023 die Geschäftsführung der Hartchrom.
Höhepunkt seiner politischen Karriere war zweifellos seine Reise zum irakischen Diktator Saddam Hussein, bei dem er dank seinem grossen diplomatischen Geschick die Freilassung mehrerer Dutzend Schweizer Geiseln bewirkte. Das brachte ihm den Titel «Kalif von Bagdad» ein. Politisch setzte er sich immer wieder energisch für die Ostschweiz und das Rheintal ein, die davon noch heute in hohem Masse profitieren. Nicht von ungefähr wurde er auch «König des Rheintals» genannt.
1985 übernahm Oehler den Chefposten bei der AFG Arbonia-Gruppe in Arbon. Er wirkte bis 2014 für das Unternehmen, das durch Zukäufe zu einem der wichtigsten Vertreter der Schweizer Baubranche wurde. Oehler war Hauptaktionär und Mitglied des Verwaltungsrates, den er während acht Jahren auch präsidierte. Auf ihrem Höhepunkt beschäftigte Arbonia 6000 Personen, die einen Umsatz von 1,2 Milliarden generierten. Einen Coup landete Oehler 2014 mit dem Erwerb der Hartchrom AG in Steinach zur Hälfte des einstigen Preises. Zu seiner Philosophie gehörte auch der Einsatz für die Allgemeinheit, sagte er doch einmal in einem Interview: «Wer eine Firma führt, muss neben einem guten Arbeitsplatz, einem anständigen Lohn auch etwas Zusätzliches bieten.» Sogar «Saiten» stellte fest: «Mitmenschlichkeit und ein soziales Gewissen sind ihm nicht fremd.» Und Oehler sagte lapidar: «Der Chef muss ein Büezer sein».
Oehler gilt auch als Retter des FC St.Gallen, der für ihn eine Herzensangelegenheit war. Er unterstützte den Verein in finanziell schwierigen Zeiten. Mit der AFG erwarb er die Namensrechte am 2008 neu eröffneten Stadion, das bis 2016 den Namen «AFG Arena» trug. 2017 verdoppelte er mit dem Zukauf weiterer Aktien seinen Anteil an der FC St.Gallen Event AG und wurde zu deren grösstem Aktionär. Seine träfen Sprüche sind auch im Fussballbereich legendär. Natürlich musste der ausserordentlich beschlussfreudige Oehler auch mit kritischen Stimmen fertig werden. So wurde oft nicht verstanden, dass er als Nichtraucher das Präsidium der Schweizerischen Zigarettenindustrie innehatte. Auch wurde ihm vorgeworfen, als Unternehmensleiter eigenmächtig millionenschwere Projekte unternommen zu haben.
Als Chefredaktor der Ostschweiz konnte er bereits von 1973 bis 1985 seine Führungskompetenzen unter Beweis stellen, wobei er die Mitarbeitenden auf grosszügige Art recht selbständig unter Einhaltung vorgegebener Schranken wirken liess. In seinen Kommentaren war er so mutig wie als Unternehmer und nahm kein Blatt vor den Mund. Der Schreibende erlebte ihn als hilfsbereit auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen der Zeitungskonkurrenz. Obwohl er später zu einem Patron alter Schule wurde, liess er trotz ausgeprägtem Selbstbewusstsein auch andere Meinungen gelten und war zugänglich für neue Ideen. Wer Edgar Oehler persönlich kannte, weiss auch von einer anderen Seite des gewieften Unternehmers, die selten genannt wird: Seine Heiterkeit und sein ansteckender Optimismus in interessanten Gesprächen auch bei geselligen Zusammenkünften, wobei auch Selbstironie zu erkennen war. Nicht von ungefähr richtete er im extravaganten Bau in seiner STI Hartchrom auch einen Weinkeller ein, in dem er auch seine Kunden mit feinen Tropfen zu verwöhnen wusste. Sein sehr bewegtes Leben kann in allen Einzelheiten in der von ihm in Auftrag gegebenen Biografie von René Lüchinger von 2021 nachgelesen werden, für die er keine Zensur ausübte und die auch Misserfolge nicht ausblendet, aber eigenwillige Schwerpunkte aufweist.
Von Franz Welte
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