Markus Buschor
Trotz Überprüfung der «Public Library» steht der Stadtrat hinter dem Projekt.
Margrit Lüthi und Beatrice Carrera vor der Ludothek St.Gallen an der Rorschacher Strasse.
Die Ludothek St.Gallen verabschiedete vergangene Woche Margrit Lüthi nach 43 Jahren Mitarbeit. Der Abgang der 76-Jährigen, die knapp zwei Jahre nach der Gründung vor 45 Jahren zur Non-Profit-Organisation stiess, steht symbolisch für den Anbruch schwieriger Zeiten. Denn die finanzielle Lage der Organisation ist so prekär wie noch nie.
Rorschacher Strasse 31 43 Jahre lang war Margrit Lüthi fester Bestandteil des Teams der Ludothek St.Gallen. Nun hört die 76-Jährige auf. «Ich finde, man sollte aufhören, bevor einem die Leute sagen, dass es vielleicht langsam Zeit wäre», sagt Lüthi mit einem Schmunzeln. Angefangen hat ihre Laufbahn bei der Ludothek 1981. Da sie schon immer eine grosse Begeisterung für Spiele hatte, erschien ihr eine Beschäftigung in der Ludothek besonders attraktiv – auch wenn Mitarbeitende damals für ihre geleistete Arbeit noch nicht entlöhnt wurden. «In den 43 Jahren, in denen ich hier war, hat sich alles verändert. Wir haben den Standort gewechselt, haben von einem Karteikarten-System auf ein Computerprogramm gewechselt und neue Zahlungsmethoden wie Twint und SumUp eingeführt. Ausserdem erhalte ich für meine Arbeit mittlerweile eine kleine Entschädigung», so Lüthi. Bei der Ludothek hinterlässt Lüthi ein grosses Loch, sagt Vereinspräsidentin Beatrice Carrera (51). Nicht nur ihre Erfahrung, auch ihre einzigartige Art werde man in der Ludothek schmerzlich vermissen: «Sie ist ein wahres Unikat. Ich arbeite schon so lange mit ihr, dass sie für mich wie ein zweites Mami ist. Wir werden sie sehr vermissen.»
Lüthis Abgang schmerzt nicht nur emotional. Er macht auch auf ein Problem aufmerksam, mit dem die Ludothek seit einiger Zeit zu kämpfen hat. «Wir haben sehr viel Arbeit und sind deshalb auf mehr freiwillige Mitarbeitende angewiesen als noch vor einigen Jahren. Freiwillige zu finden ist heute jedoch sehr schwierig, weshalb wir mittlerweile auch Schülerinnen und Schüler im Stundenlohn anstellen. Das können wir uns aber gar nicht leisten», erklärt Carrera. Allein die Angestellten im Stundenlohn kosten die Ludothek etwa 7'000 Franken im Jahr. Das sind Kosten, die man vor wenigen Jahren noch nicht decken musste. Dass sich die Freiwilligenakquise so schwierig gestaltet, hänge mit den Entwicklungen der letzten Jahre zusammen. Früher seien Frauen deutlich häufiger ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgegangen. Heute seien die meisten berufstätig und hätten oft keine Kapazität, auch noch Freiwilligenarbeit zu leisten. Auch die Pensen der aktuellen Mitarbeitenden zu erhöhen, sei nicht möglich, da auch bei ihnen alle nebenbei berufstätig sind. Das bedeutet: Ohne eine signifikante Umsatzsteigerung kann sich die Ludothek künftig nicht mehr selbst finanzieren.
Der Mangel an bezahlbaren Hilfskräften ist jedoch nicht der einzige Grund für die missliche finanzielle Lage. «Auch die allgemeine Teuerung hat sich in der Kasse bemerkbar gemacht», so Carrera. Aus diesem Grund hatte sich der Vorstand letztes Jahr dazu entschieden, den jährlich zu bezahlenden Benutzerbeitrag von 30 Franken auf 40 Franken zu erhöhen. Auf weitere Preiserhöhungen wollen die Verantwortlichen allerdings verzichten, um die gesteigerte Anzahl an Kundinnen und Kunden – gerade auch bei den jungen Erwachsenen – beibehalten zu können. «Unsere Kundschaft hat sich gewandelt und vergrössert. Heute leihen nicht mehr nur Familien Spiele aus, sondern auch viele junge Erwachsene – vor allem Studenten. Wir wollen diese nicht mit höheren Preisen wieder vertreiben», so Carrera. Ein weiteres Problem ist, dass mit der Einführung der alternativen Zahlungssysteme Twint und SumUp auch mehr Arbeitsaufwand in der Buchhaltung entstanden ist und Gebühren für diese Zahlungssysteme anfallen. Gerade bei kleinen Beträgen gibt man hier einen verhältnismässig grossen Anteil an die jeweiligen Anbieter ab, wodurch die ohnehin schon kleinen Margen der Ludothek noch kleiner werden.
Laut der Vereinspräsidentin ist das Vermögen der Non-Profit-Organisation in spätestens zwei Jahren aufgebraucht, wenn man so weitermacht wie bisher. Eine Schliessung der Ludothek in den nächsten zwei Jahren, sei daher durchaus denkbar. Auch der Beitrag, den die Ludothek von der Stadt erhält, reiche nicht aus, um sich über Wasser zu halten. «Wir werden zwar zu einem kleinen Teil von der Stadt subventioniert. Diesen Teil bezahlen wir allerdings direkt wieder an die Stadt zurück, da wir in einem Gebäude der Stadt eingemietet sind. Überleben können wir damit nicht», so Carrera. Trotz schlechter Aussichten versuchen die Verantwortlichen nun mit verschiedenen Massnahmen eine Wende herbeizuführen. So möchte man künftig häufiger Spielenachmittage und -abende für verschiedene Altersgruppen oder auch für altersdurchmischte Gruppen organisieren und somit den Kundenstamm erweitern oder mögliche Freiwillige akquirieren. Eine weitere Massnahme könne sein, dass man den Freiwilligen ihre Entschädigung streicht. Diese ist laut Statuten nicht garantiert. «Das wollen wir aber möglichst vermeiden, denn so dürfte das Anwerben neuer Freiwilliger nicht einfacher werden», so Carrera.
Selim Jung
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