Hugo Borner
hat das Kartenspiel "Wunderkarten" entwickelt.
Marcel Thoma auf der Leichtathletik Anlage im Neudorf. z.V.g.
Nach beinahe 35 Jahren begeht Marcel Thoma heute seinen 12'721. Tag im Dienst der Stadt St.Gallen. Um die 50 Sportlerinnen und Weggefährten wollten heute Morgen um 5.30 Uhr den begeisterten Läufer beim Warm-up zu seinem letzten Arbeitstag für die Dienststelle Sport begleiten. In diese hatte Thoma 2009 von der Stadtpolizei gewechselt.
Pensionierung Am 1. Mai hat Alexander Linder sein Amt als Leiter der Dienststelle Sport angetreten. Marcel Thoma, der die Entwicklung St.Gallens zur Sportstadt im letzten Jahrzehnt stark mitgeprägt hat, stand seinem Nachfolger für die Einarbeitung zur Verfügung. Ausserdem nahm er seine «letzten» Ferien und lief in Brooklyn am Halbmarathon mit. Heute nun begeht Thoma seinen letzten Arbeitstag im Dienst der Stadt.
Marcel Thoma, Sie haben die Entwicklung von St.Gallen zur Sportstadt eng begleitet und mitgeprägt. Bei welchen Anlässen sind Sie besonders stolz, dass sie in St.Gallen stattgefunden haben?
Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir im Juni 2022 die National Summer Games von Special Olympics in St.Gallen zu Gast hatten. Es ist gelungen, die politischen Stellen für diesen Anlass zu gewinnen. Die Stadt ist mit grossem Abstand grösster Sponsor dieses Anlasses gewesen. Ebenso haben mich 2022 aber auch der Start der Gasballon-WM, der internationale Helvetia-Cup und die Euro Floorball Tour gefreut. Und so könnte ich eine lange Liste der zehn Vorjahre anfügen. Zufrieden bin ich auch, dass es uns gelungen ist, die TdS 2023 in die Stadt zu holen und dass St.Gallen eine Host-City der Frauen Fussball Euro 2025 sein wird. Hier haben wir sehr gute Vorarbeit geleistet und uns gegen Widerstand erfolgreich durchgesetzt.
Wer war jeweils schwieriger zu überzeugen: Die lokalen politischen Akteure oder die Verbände, welche die Wettkämpfe vergeben?
Diese Frage ist von Anlass zu Anlass unterschiedlich zu beantworten: einmal ist die lokale Politik die Herausforderung, einmal der vergebende Sportverband oder Sportveranstalter. Das macht die Aufgabe interessant und abwechslungsreich.
Welche Rolle spielt das Sportamt, wenn sich St.Gallen um Sportwettkämpfe bewirbt?
Die Stadt ist in aller Regel nicht der Veranstalter, weil wir nicht über das sportartenspezifische Know-how verfügen, und andererseits auch nicht über die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen, die der Sport in der Regel ehrenamtlich organisiert. Wir helfen mit, stossen an, motivieren und koordinieren – und dies sehr gerne.
Das Sportamt hat auch eine Rolle am St.Galler Sportpreis: Welche Preisträgerin oder welcher Preisträger haben Sie persönlich besonders beeindruckt?
Hier kann ich wohl meine sportliche Vergangenheit nicht ausblenden. «Meine» Sportarten schwingen hier sehr subjektiv mit: Skifahrerin Aline Höpli und Läufer Dominic Lobalu.
Sie sind selbst leidenschaftlicher Sportler: Verlegen Sie die Trainings nun etwas nach hinten in den hellen Tag?
An meiner bevorzugten Sportzeit wird sich wohl auch in meinem nächsten Lebensabschnitt nicht viel ändern. Dazu habe ich gerade einen Post von Tina Maze gelesen: «Morning sport is best sport! The day can begin», der meine Gefühle sehr zutreffend beschreibt. Und dann ist es am Morgen meist kühler als tagsüber, was mir als Langstreckenläufer sehr entgegenkommt. Die Performance nimmt mit erhöhten Temperaturen ab – und die Performance muss auch heute und wohl auch morgen noch stimmen. Sie erzeugt unglaubliche Glücksgefühle.
Die Sportinfrastruktur in St.Gallen ist oft aus- bis überlastet. So argumentieren städtische Fussballclubs teils, sie hätten keine Kapazitäten, um zusätzlich Mädchen- und Frauenteams zu stellen. Wie sehen Sie das Problem?
Das Angebot der Sportinfrastrukturen kann nicht kurzfristig erhöht werden. Deshalb müssen die Sportarten intern nach Lösungen suchen. So bestimmen zum Beispiel die Leichtathleten selbst, welche Trainingsgruppe die Infrastruktur wie lange belegt. Dies müssen andere Sportarten auch vermehrt machen – gerade der Fussball.
Was muss bezüglich Infrastruktur aus Ihrer Sicht nun als erstes angegangen werden?
Ich bin sehr glücklich, dass die Stadt mit der sanierten und erweiterten LA-Anlage im Neudorf und der Erweiterung des Hallenbades Blumenwies zwei grosse Sportvorhaben im Osten umsetzen kann. Und dasselbe wünsche ich mir auch im Gründenmoos, wo die Sportfeld Gründenmoos AG zusammen mit dem Kanton und der Stadt St.Gallen die technische Machbarkeit prüft, auf gutem Weg ist und hoffentlich schon bald in die Umsetzung starten kann. Dann können wir wichtige Schritte in eine positive Zukunft tun.
Und zum Schluss noch ein Blick zurück: Wie kam es damals zu Ihrem Wechsel von der Polizei ins Sportamt?
Der Sport zieht sich bei mir wie ein roter Faden durch das ganze Leben. Mit 22 war ich Präsident des Skiclubs Amden, mit 28 durfte ich den Ostschweizer Skiverband führen und in der Polizei in der nationalen Sportkommission und als Delegationsleiter für zwei Ski-Europameisterschaften wirken. Nach zwanzig Dienstjahren bei der Stadtpolizei stellte ich mir die Frage, ob ich weitere 15 Jahre bleiben oder noch einmal etwas Neues versuchen soll. Ich entschied mich für Zweites und wurde von der zuständigen Stadträtin kontaktiert, als die Nachfolge von Jürg Hellmüller zu besetzen war.
Sie sind immer sehr aktiv und an vielen Orten anzutreffen: Was haben Sie sich vorgenommen für die erste Zeit als Pensionär?
Ich werde auch in meinem dritten Lebensabschnitt viel auf Sportstätten anzutreffen sein – entweder als Zuschauer oder als ehrenamtlicher Helfer. Bei solchen Einsätzen werde ich mein «Vereinsherz» wieder ausleben können. Und dann will ich mir endlich Zeit nehmen, an meiner Kraft, Beweglichkeit und Koordination zu arbeiten, um ab kommendem Jahr in neuer Kategorie den einen oder anderen Wettkampf noch besser bestreiten zu können.
Interview: Tobias Baumann
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