Benno Högger
Die Berufsfeuerwehr St.Gallen testet zurzeit den Bio-Treibstoff HVO.
Von Selim Jung
Architektur Dunkle Unterführungen, unübersichtliche Tiefgaragen mit vielen Sackgassen oder lange Korridore ohne Notausgänge: Es gibt viele Orte, an denen einem ein unwohles Gefühl beschleicht und man sich Gefahren schutzlos ausgeliefert fühlt. Besonders Frauen und Transpersonen, die abends allein unterwegs sind, fühlen sich in beklemmenden öffentlichen Räumen oft nicht sicher. Dass diese sogenannten «Angsträume» nach und nach verschwinden und in Neubauten künftig vermieden werden, dafür setzt sich die Architektin Doris Königer seit über 20 Jahren ein. Die Fachexpertin für gendergerechtes Bauen ist seit 10 Jahren Mitglied beim Netzwerk Lares, welches sich für einen Kulturwandel im Planen und Bauen einsetzt und setzt sich auch politisch als Mitglied des Stadtparlaments für die SP und als Mitglied der Liegenschaften- und Baukommission für dieses Thema ein. «Schon um das Jahr 2000 herum wurde auf bedürfnisgerechtes Planen Wert gelegt, wobei damals insbesondere auf die Bedürfnisse von Frauen geachtet wurde. Gendergerechtigkeit im Bau gibt es also nicht erst seit heute», erklärt Königer, «doch das Thema hat in vergangenen Jahren durch die Genderdebatte wieder mehr Aufschwung erfahren. Auf Gruppen, die keine oder nur eine kleine Lobby haben, Rücksicht zu nehmen, wird immer wichtiger.»
Das Verbessern der subjektiven Sicherheit in öffentlichen Räumen ist eines von zwei Querschnittsthemen, wenn es um das gendergerechte Bauen geht. Dabei geht es darum, mit einfachen Mitteln für ein grösseres Wohlbefinden der Benutzerinnen und Benutzer zu sorgen. So wird bei der Planung von Tiefgaragen, Unterführungen und Ähnlichem auf eine Vielzahl von Kriterien geachtet. Eine Tiefgarage soll übersichtlich sein. Daher wird zum Beispiel auf einen grosszügigen Grundriss und die Vermeidung von Nischen und Ecken geachtet. Auch Hör- und Sichtkontakt ist in geschlossenen Anlagen wichtig, weshalb häufig mit Verglasungen, Fenstern oder Öffnungen zwischen Wänden, Böden und Decken gearbeitet wird. Orientierungshilfen wie Beschilderungen und Piktogramme, kurze Wege zu den Ausgängen, technische Überwachungsmittel, helle Farbkonzepte und gute Beleuchtung – im Optimalfall durch Tageslicht – helfen ebenfalls dabei, das subjektive Sicherheitsempfinden in öffentlichen Räumen zu verbessern. Das zweite Querschnittsthema der gendergerechten Planung ist die Berücksichtigung der Care-Arbeit und die Vereinbarung von Beruf und Familie. «Gerade in der Stadtplanung ist es wichtig, dass die Wege kurz sind. Erwerbstätige Mütter und Väter sollen zum Beispiel zwischen Arbeitsplatz, Einkaufsmöglichkeiten und Kindertagesstätten möglichst wenig Zeit verlieren, damit sie genügend Kapazität für die Care-Arbeit haben. Da Care-Arbeit heute leider immer noch hauptsächlich von Frauen verrichtet wird, fördert dies auch die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern», so Königer.
Obschon mittlerweile mehr auf gendergerechtes Bauen geachtet wird als früher, gibt es auch heute noch Bauten, bei denen sie vernachlässigt werden. So zum Beispiel bei der Passerelle vom Kantonsspital zum Parkhaus Böschenmühle. Diese wurde ursprünglich von Doris Königer und Vreny Gross geplant und 2008 fertiggestellt. 2017 wurde sie allerdings bereits wieder teilabgebrochen und umgebaut. «Wir hatten damals bei der Planung der Passerelle viel Wert daraufgelegt, dass Benutzerinnen und Benutzer immer sicht- und hörbar sind. Darum war sie grosszügig verglast und der Boden an den Rändern sogar mit Spälten versehen», so Königer. Zum Ärger von Königer und Gross legten die neuen Architekten beim Neubau 2017 keinen Wert mehr auf ein offenes, gendergerechtes Konzept. «Heute sind Passantinnen und Passanten, die die Passerelle überqueren, von aussen weder sicht- noch hörbar. Das ist ärgerlich», so Königer. In St.Gallen gebe es allerdings auch zahlreiche positive Beispiele wie die Tiefgarage am Brühltor. Aber auch neue Projekte, wie die Velo- und Fussgängerunterführung an der St.Leonhardsstrasse, welche momentan gebaut wird, überzeugen Königer mit ihrem hellen, offenen Konzept.
Auch in der Lehre gewinnt gendergerechtes Planen im Bau immer mehr an Bedeutung. So bietet der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA und das Netzwerk Frau zusammen mit dem Verein Lares in diesem Jahr zum ersten Mal den Lehrgang gendersensibles Planen und Bauen an. Doris Königer ist Teil des Organisationsteams. Der fünfteilige Weiterbildungskurs, der zum Teil online und zum Teil als Workshop vor Ort stattfindet, ist auf Architekten, Planungsfachleute oder auch auf Persönlichkeiten aus Politik, Forschung und Lehre ausgerichtet. Im Kurs gehe es darum, die Teilnehmenden auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Menschen zu sensibilisieren. Dabei seien die Bedürfnisse aller Menschen relevant. Momentan seien zum Beispiel Lösungen für genderneutrale Sanitäre Anlagen sehr gefragt. «Ich finde es sehr wichtig, dass in der Bauplanung auf die Bedürfnisse von allen, die eine Anlage nutzen, Rücksicht genommen wird. In der Vergangenheit wurde hauptsächlich darauf geachtet, dass Architektur einem zeitgemässen ästhetischen Ideal entspricht. Glücklicherweise ist das mittlerweile nicht mehr das einzige Kriterium», so Königer.
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