Kartrin Corazza
veröffentlicht unter dem Künstlernamen Katy O. ihr erstes Soloalbum.
Die Diskussionen um die Engpassbeseitigung in St.Gallen und die dritte Röhre am Rosenbergtunnel gehen weiter.
Knapp ein Jahr nach dem «Nein» des Schweizer Stimmvolks zum Nationalstrassenausbau sorgt der ETH-Bericht «Verkehr 45» erneut für Diskussion. Der Kanton und bürgerliche Parteien freuen sich, dass die Studie die dritte Röhre des Rosenbergtunnels und den Zubringer Güterbahnhof als prioritär einstuft. Umweltverbände und links-grüne Parteien hingegen sprechen von einem Affront gegen die Demokratie.
Verkehrspolitik Die ETH Zürich hat im Auftrag des Bundes die geplanten Verkehrsprojekte der Schweiz neu bewertet und in Prioritätsstufen eingeordnet. Grundlage dafür sind Kriterien wie verkehrliche Wirkung, Kosten-Nutzen Verhältnis, technische Machbarkeit und Umweltverträglichkeit. Für die Ostschweiz sticht dabei das Projekt «3. Röhre Rosenbergtunnel mit Autobahnanschluss Güterbahnhof» besonders hervor. Gemäss der Studie ist die Erweiterung der Stadtautobahn St.Gallen «inhaltlich zweckmässig und vergleichsweise prioritär». Das Projekt wird in die erste Prioritätsgruppe aufgenommen, also in den Zeithorizont bis 2045. Begründet wird dies mit der hohen Verkehrsbelastung und der anstehenden Sanierung der bestehenden Röhren. Ohne zusätzliche Kapazität seien längere Sperrungen kaum vermeidbar, so die ETH. Eine dritte Röhre erhöhe die Betriebssicherheit und ermögliche eine gestaffelte Sanierung, ohne den Verkehr vollständig zu unterbrechen. Auch der geplante Zubringer Güterbahnhof wird positiv bewertet, da er laut Studie die Verkehrsverteilung verbessern und die Anbindung des Stadtzentrums an das Autobahnnetz stärken könnte. Gleichzeitig weist die ETH auf städtebauliche Herausforderungen hin – insbesondere im Hinblick auf die geplante Entwicklung des Güterbahnhofareals. Zur Bahn zeigt sich die ETH hingegen zurückhaltender. Der Ausbau St.Gallens zum Vollknoten wird als «verkehrlich sinnvoll, aber wirtschaftlich schwer zu rechtfertigen» eingestuft. Die ETH empfiehlt vorerst kleinere Optimierungen und Kapazitätserweiterungen anstelle eines umfassenden Knotenausbaus. Die ETH betont, dass ihre Einschätzungen eine fachliche Grundlage bilden – die politische Entscheidung über die Umsetzung liege bei Bund und Kantonen.
Die Kantonsregierung reagiert mit gemischten Gefühlen. Sie begrüsst die hohe Priorisierung der dritten Röhre und sieht darin eine Bestätigung ihrer bisherigen Bemühungen.«Die sichere Erreichbarkeit der Ostschweiz über alle Verkehrsträger ist für uns zentral», teilt sie mit. Enttäuscht zeigt sich die Regierung hingegen über die tiefe Bewertung des Bahnausbaus. Man könne nicht nachvollziehen, dass der Knoten St.Gallen erneut keine Priorität erhalte. Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Kanton mit einer Standesinitiative in Bern für die Engpassbeseitigung starkgemacht. Nun will die Regierung beim Bund darauf drängen, dass das Projekt rasch in das nächste strategische Entwicklungsprogramm (STEP) aufgenommen wird.
Positive Reaktionen kommen aus bürgerlichen Kreisen. Nationalrat Michael Götte (SVP) spricht von einem «wichtigen Signal für die Lebensqualität in der Stadt und der Region». Ohne die dritte Röhre drohten während der anstehenden Sanierung der bestehenden Tunnelröhren «unzumutbare Verkehrsprobleme». Die ETH habe bestätigt, dass die Sanierung ohne zusätzliche Röhre «schlicht und einfach nicht realisierbar» sei. Auch der Touring Club Schweiz (TCS) begrüsst die Ergebnisse. Das Projekt sei «aus ökonomischer und ökologischer Sicht ausgewogen», heisst es in einer Mitteilung der Sektion St.Gallen–Appenzell. Der Ausbau führe zu weniger Staus und entlaste die Quartiere, während die oberirdische Flächennutzung verbessert werde. Würde das Projekt nicht umgesetzt, drohten tägliche Verkehrsüberlastungen und eine stärkere Belastung der Stadtquartiere.
Die Interessengemeinschaft Engpassbeseitigung zeigt sich ebenfalls erfreut. «Die Engpassbeseitigung ist von zentraler Bedeutung – sowohl für den öffentlichen wie auch für den privaten Verkehr», erklärt die Organisation. Sie fordert den Bund auf, das Projekt nun «entschlossen und zeitnah» voranzutreiben. Rückendeckung kommt auch vom Hauseigentümerverband (HEV) St.Gallen. Dessen Präsident sprach von einem «entscheidenden Schritt zu einer modernen und zukunftsfähigen Verkehrsinfrastruktur».
Ganz anders beurteilen linke Parteien und Umweltorganisationen die neuen Prioritäten. Für die SP und die Grünen der Stadt St.Gallen ist die ETH-Studie «ein verkehrspolitischer Affront». Das Gutachten missachte den Volkswillen, nachdem eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten am 24. November 2024 den Autobahnausbau klar abgelehnt hatte. In der Stadt St.Gallen fiel das Nein mit 55,02 Prozent deutlich aus. «Wer abgelehnte Projekte über den Umweg von Studien wiederbelebt, handelt undemokratisch», erklärten SP und Grüne gemeinsam. Besonders kritisch sehen sie den geplanten Autobahnzubringer Güterbahnhof. Dieser zerstöre wertvolle Entwicklungsflächen und lenke den Verkehr mitten ins Stadtzentrum. Rebekka Schmid, Co-Präsidentin der Grünen Stadt und Region St.Gallen, warnt: «Das Güterbahnhofareal ist für die Zukunft der Stadt zentral. Eine neue Tunnelzufahrt würde städtebaulich alles blockieren.» Auch Michael Breu, Co-Präsident der Grünen Stadt und Region St.Gallen, spricht von einem «Affront gegenüber allen, die abgestimmt haben». Der Volksentscheid sei ein Bekenntnis zu Klimaschutz und Lebensqualität gewesen. «Nein bleibt Nein. Wir brauchen keine neuen Strassen, sondern neue Wege», sagt Breu. Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne) kritisiert das Vorgehen scharf. Die Studie folge «wenig überraschend» der Linie des Bundesrats, der den Autobahnausbau entgegen dem Volksentscheid wieder aufgleisen wolle. «Die abgelehnten Autobahnvorhaben dürfen nicht realisiert werden – sie wären klare Fehlinvestitionen in klimaschädliche Infrastruktur», erklärt sie. Die Gelder müssten stattdessen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Velonetzes fliessen. Kritik kommt zudem von der Grünliberalen Partei St.Gallen. Sie bemängelt, dass die ETH-Gutachter die örtlichen Gegebenheiten nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Der geplante fünfte Autobahnanschluss der Stadt erfülle die Finanzierungskriterien des Bundes nicht, heisst es. Das dichte Stadtzentrum könne den zusätzlichen Verkehr gar nicht aufnehmen. Der Verkehrs Club der Schweiz (VCS) äussert sich ebenfalls enttäuscht. Die Priorisierung der dritten Röhre sei «nicht nachvollziehbar» und missachte demokratische Entscheide. Tunnelbauten verursachten «massive CO₂- Emissionen und langjährige Belastungen mitten in der Stadt». Zudem gebe es in St.Gallen kaum gravierende Stauprobleme, die den Ausbau rechtfertigten. Auch der überparteiliche Verein gegen den Autobahnanschluss Güterbahnhof warnt vor den Folgen. Eine zehnjährige Baustelle im Stadtzentrum, der Verlust von Grünflächen und ein deutlicher Anstieg des motorisierten Verkehrs drohten, so Präsident Florim Sabani. «Es ist völlig unverständlich, wie man ein Projekt weiterverfolgen kann, das den Verkehr mitten ins Zentrum lenkt und den Volkswillen missachtet.»
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