Christian Müller
ist zuversichtlich, dass die Voliere in der Stadt St.Gallen erhalten bleibt.
Freudentag: Sabrina Arpagaus (rechts) bekommt ihre Hanfmedizin legal in der Apotheke.
Sabrina Arpagaus aus Wittenbach hat lange darauf gewartet, legal Cannabisblüten zu beziehen, um ihre Schmerzen zu lindern. Letzte Woche war es soweit und sie durfte die Blüten in einer Apotheke in St.Gallen abholen.
Heilpflanze Gras kaufen beim Dorfapotheker – seit acht Monaten theoretisch möglich. Die Voraussetzung dafür schafft das aufgehobene Verbot von Cannabis zu medizinischen Zwecken, das im August 2022 bundesweit beschlossen wurde. Diese Änderung im Betäubungsmittelgesetz erlaubt Schweizer Ärztinnen und Ärzten das Verschreiben von medizinischem Cannabis, welches in der Apotheke bezogen werden kann.
Sabrina Arpagaus verfolgte die Debatte genau. Die 38-jährige Wittenbacherin leidet an der Charcot-Marie-Tooth (CMT) Krankheit. (Siehe Box) Nach einem Gentest vor sieben Jahren erhielt sie die Diagnose. «Einerseits wollte ich es nicht wahrhaben, andererseits konnte ich viele Leiden und Beschwerden nun erklären», sagt Arpagaus. Anfangs hätte sie sich nicht viel dabei gedacht und ihren Alltag normal weitergeführt. Je länger je häufiger traten jedoch Schmerzen auf und die Mutter erkannte, dass ihr Körper nicht mehr kann. Abklärungen während eines Aufenthalts in einer Rehaklinik im vorletzten Jahr führten dazu, dass ihr ein Arbeitsverbot auferlegt wurde. «Statt wieder an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, wurde ich quasi über Nacht zur IV-Bezügerin.» Obwohl es ihr nicht leicht fiel, musste sie sich damit abfinden und begann fortan auf ihren Körper zu hören.
Mit der Diagnose sei ihr ein Licht aufgegangen. «Plötzlich ergab es Sinn, wieso ich mich oft müde fühlte, mich teils langsam und schwerfällig durch den Tag kämpfte», sagt Arpagaus. Auch die nächtlichen Krämpfe und die immer häufiger auftretenden Schmerzen konnte sie einordnen. Gegen die Schmerzen bekam sie Medikamente verschrieben, machte sich aber selbst schlau über mögliche Therapien und stiess dabei auf Berichte über Cannabis als Heilpflanze. In Foren las sie von seiner schmerzlindernden Wirkung und im Austausch mit anderen Betroffenen erfuhr sie, dass Cannabinoide, wie sie im Cannabis vorkommen, Spasmen reduzieren könnten.
Für Arpagaus stand schnell fest, dass Cannabis eine valable Alternative zu den chemischen Medikamenten darstellt. «Glücklicherweise sah nicht nur ich den Nutzen, sondern auch meine Ärztin», sagt die Patientin. Trotzdem musste sie viel Eigeninitiative zeigen und grossen Aufwand betreiben, um an die helfende Medizin zu gelangen. Damit sie nicht nur von CBD, sondern allen rund 450 verschiedenen Substanzen, die in der Hanfpflanze zu finden sind, profitieren konnte, musste sie beim BAG eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Mit dieser Bewilligung durfte sie Cannabis in Form von Tröpfchen zu sich nehmen. «Ich fühlte mich besser, mein Leben war schmerzfreier und die Nächte erholsamer», sagt Arpagaus.
Als das Verbot von Cannabis zu medizinalen Zwecken im letzten Sommer aufgehoben wurde, stellte ihr ihre Ärztin ein Rezept aus. Es sollte aber fast ein Jahr dauern, bis die Wittenbacherin die Blüten in der Apotheke abholen konnte. «Es dauerte eine Weile, weil einerseits wenig Fachwissen, dafür Bedenken punkto Dosierung vorhanden sind und andererseits kaum eine Apotheke Cannabis als Blüten verkauft», informiert Arpagaus. Doch die Freude darüber, dass sie endlich die gewünschte Medizin erhält, trübte sich allzu schnell: «Bei den horrenden Preisen, die verlangt werden, kann ich mir die Medizin gar nicht leisten», konstatiert die 38-Jährige. Deswegen sei es wichtig, dass auch Krankenkassen und Versicherungen den Nutzen von Cannabis anerkennen. Solange die Preise den Schwarzmarkt übersteigen, wird es vielen nicht möglich sein, sich Cannabis legal verschreiben zu lassen. «Für Patientinnen und Patienten ist es wichtig, dass Cannabis in guter Qualität konstant verfügbar und vor allem bezahlbar ist», erklärt Arpagaus. Cannabis sei kein Wundermittel, aber seine medizinische Verwendung müsse dazu führen, dass es als Heilmittel akzeptiert und dadurch entkriminalisiert werde. Man sei auf dem richtigen Weg, dennoch bleiben hohe Hürden bestehen. «Ich nehme Cannabis nicht aus Spass, sondern aus gesundheitlichen Gründen», resümiert Arpagaus, «deshalb muss sein Gebrauch als Alternative zu Medikamenten etabliert werden.»
Von Benjamin Schmid
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